Politik
Über die Schwierigkeiten, die Arbeitslosigkeit schönzureden
09.01.12 - Im Dezember gab es offiziell 2,78 Millionen Arbeitslose, weniger als in den letzten zehn Jahren. Das wird von der bürgerlichen Politik als großer Erfolg gefeiert. Doch nach dem Jubel der Bundesanstalt für Arbeit – "Die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesunken, Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hingegen kräftig gewachsen" (Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit) – ist Ernüchterung eingetreten. Vor allem, als herauskam, dass die Bundesagentur bei älteren Arbeitslosen mit falschen Zahlen operiert. So wurden rund 105.000 Arbeitslose über 58 Jahre (Stand: November 2011) in der Statistik nicht mitgezählt. Würden sie mitgerechnet, ergäbe sich eine Arbeitslosenquote der 55- bis 64-Jährigen von 9,7 und nicht die von Herrn Weise angegebenen 8 Prozent. Das Ganze hat natürlich seinen Hintergrund.
Im Jahre 2008 wurde in der Großen Koalition das von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnte Rentenkürzungsprogramm "Rente mit 67" durchgedrückt, was ab diesem Jahr nun stufenweise eingeführt werden soll. Um zu beweisen, dass Arbeitsplätze für die über 58-Jährigen zur Verfügung stehen würden, wurden in trauter Einheit von SPD und CDU höchst elegant alle Arbeitslosen über 58 Jahre, wenn sie länger als 12 Monate von Hartz IV betroffen waren, einfach aus der Arbeitslosenstatistik entfernt. Davon möchte allerdings heute niemand mehr etwas wissen. Für Karl-Josef Laumann, CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Nordrhein-Westfalen, ist es plötzlich "ein Unding, dass schwervermittelbare Hartz IV-Empfänger ab 58 Jahren nicht als arbeitslos gezählt werden". ("Bild", 4.1.2012)
Es wird munter weiter getrickst bei der Arbeitslosigkeit. Die aktuell offiziell 2,78 Millionen Arbeitslosen stellen lediglich den statistischen Rest dar, der sich einfach nicht mehr verschleiern lässt. Bei Licht besehen muss man darauf noch die 200.000 Kurzarbeiter, die 600.000 Ein-Euro-Jobs, die Hunderttausende unbezahlter Praktika und Menschen in Warteschleifen dazu rechnen. Auch Unterbeschäftigung ist Teilarbeitslosigkeit! Der größte Verschleierungstanz wird um die Umwandlung von Voll- in Teilzeitarbeitsplätze gemacht.
Unterbeschäftigte im engeren Sinne sind solche, die in "Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung", Ein-Euro-Jobs und ähnlichem beschäftigt sind. Nach dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Erklärung vom 10.10.2011) macht dies 3,9 Millionen Menschen aus, die nicht in der Arbeitslosenstatistik erfasst werden. Und nach Angaben des DGB leben 5 Millionen Menschen ausschließlich von geringfügiger Beschäftigung mit einer Lohnobergrenze von 400 Euro. Sie alle tauchen aber nicht in der Arbeitslosenstatistik auf.
Und der nächste Kriseneinbruch ist zu erwarten. "Man muss davon ausgehen", sagt Stefan Engel in dem neuesten Interview mit der "Roten Fahne", "dass die Industrieproduktion wieder einbricht. Eine Kettenreaktion von Staatsbankrotten, Bankenzusammenbrüchen oder sogar des gesamten Weltfinanzsystems kann dann kaum verhindert werden." Wie in ganz Europa, müssen sich auch in Deutschland die Belegschaften auf einen harten Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze einstellen - die Einheit und Solidarität von Erwerbslosen und Erwerbstätigen, von "regulär" und von Unterbeschäftigten, von Stammbelegschaften und Leiharbeitern usw. ist dabei gefragt!