Politik

Der Kampf gegen das Milliardenprojekt "S21" geht weiter

21.01.11 - Mit der folgenden Presseerklärung zur polizeilichen Räumung des Südflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs haben sich die Landesleitung Baden-Württemberg und Kreisleitung Stuttgart der MLPD an die Öffentlichkeit gewandt:

In der Nacht vom 12. auf den 13. Januar 2012 beendete eine Übermacht von ca. 2000 Polizisten die Besetzung vor dem Südflügel, räumte die schnell errichteten Barrikaden beiseite und schuf so die Voraussetzung für den Abriss des Südflügels. Mehr als 1.000 "S21"-Gegnerinnen und -Gegner hatten phantasievoll und gemeinsam gegen diese Barbarei protestiert, getrommelt, geschrieen und auch geweint. Ca. 600 haben die ganze Nacht durchgehalten. Mit "We shall overcome" bekräftigten die Demonstranten, dass der Widerstand weitergeht, denn weder durch die manipulierte Volksabstimmung noch durch die gewaltsame Räumung hat sich irgendetwas an der Ablehnung von "S21" geändert.

Mit dem Abbruch will die Bahn jetzt Fakten schaffen und Druck ausüben, dass nach solch weitgehenden baulichen Maßnahmen eine Einstellung des Projekt keinen Sinn mehr machen würde. Tatsache ist jedoch, dass selbst nach eigenen Plänen der Bahn der Abriss überhaupt erst in drei Jahren nötig wäre. Tatsache ist vor allem auch, dass die Bahn wegen Gerichtsurteilen gegen die Änderung des Grundwassermanagements ohne artenschutzrechtliche Genehmigung, ungelöster technischer Probleme, fehlender lanfeststellungsverfahren mehrerer Bauabschnitte und Risiken nicht weiter bauen darf.

Diese Hektik der Bahn macht somit deutlich, dass sie der Bewegung gegen "S21" eine Niederlage beibringen will. Es ist den Herrschenden ein Dorn im Auge, dass es ihnen nicht gelungen ist, den Widerstand zu brechen, wie die weitergehenden Montagsdemonstrationen unterstreichen. Dass die Grüne/SPD-Landesregierung sich nun als Erfüllungsgehilfe der Bahn erweist, ruft in der Bewegung Kritik insbesondere an Ministerpräsidenten Kretschmann hervor.

Die Bewegung gegen "S21" steht vor neuen Fragen und Herausforderungen, die sie in einem intensiven Klärungsprozess meistern wird. Das Beispiel der Bewegung gegen "S21" mit den regelmäßigen Montagsdemonstrationen hat internationale Ausstrahlung und Wurzeln geschlagen unter Anderem im Kampf gegen andere profitträchtige Großprojekte wie beim Flughafen in Frankfurt und Berlin.

Die in der Öffentlichkeit hochgelobte Besonnenheit des letzten Polizeieinsatzes ändert schließlich keinen Deut daran, dass hier die Bahn AG erneut ihre Macht und rücksichtslose Durchsetzung ihrer Profitinteressen demonstrieren will. Wenn der neue Stuttgarter Polizeipräsident Züfle erklärt, aus dem gewaltsamen Vorgehen am 30. September gelernt zu haben, so ist deshalb keinerlei Entwarnung angesagt. Es war doch klar, dass sich die Bahn und Immobilienspe- kulanten keinen zweiten schwarzen Donnerstag mehr leisten können. Sie wollen den Schein aufrecht erhalten, dass mit Schlichtungsbetrug und manipulierter Volksabstimmung, die Demokratie und stärkere Einbeziehung der Bürger gesiegt hätte.

Bei einer fast dreimal so hohen Anzahl von Polizisten wie friedlichen Demonstranten, bei 80 Euro Geldstrafe für jeden Blockierer stellt dies die Realität jedoch auf den Kopf! Die Container für verhaftete Blockierer stehen weiterhin auf dem Cannstatter Wasen bereit. Allein das massive stadtbildprägende Polizeiaufgebot wirkt einschüchternd. Es dient der Androhung von Gewalt und der Vorbereitung und Durchsetzung der Kriminalisierung der Widerstandsbewegung. Das kann nicht hingenommen werden und muss von allen demokratischen Kräften gemeinsam zurückgewiesen werden.

Wir protestieren entschieden dagegen, dass über 1.500 Verfahren gegen "S21"-Gegner betrieben und laufend Urteile gesprochen werden, die ein Schlag gegen das Demonstrationsrecht darstellen. Dafür trägt der Oberstaatsanwalt Häussler die Hauptverantwortung! Dagegen wurde kein einziger Verantwortlicher für den brutalen Polizeieinsatz am 30.9.2010 zur Rechenschaft gezogen, was von der demokratischen Öffentlichkeit nicht akzeptiert wird. Wir verbinden die Forderung nach Einstellung des Abrisses des Südflügels und aller weiterer Baumaßnahmen der Bahn ausdrücklich mit dem Protest gegen die Kriminalisierung des Widerstandes. Die Verfahren gegen die "S21"-Gegner müssen eingestellt werden!