Betrieb und Gewerkschaft

Schlecker-Insolvenzverfahren zielt auf Lohndumping und Vernichtung tausender Arbeitsplätze

Schlecker-Insolvenzverfahren zielt auf Lohndumping und Vernichtung tausender Arbeitsplätze
Niedriglöhne zwischen 6,78 und 12,70 Euro erhalten die Beschäftigten von Schlecker (rf-foto)

24.01.12 - Die Drogeriemarktkette Schlecker hat am Montag beim Amtsgericht Ulm eine so genannte "Planinsolvenz" beantragt. Die bürgerlichen Medien behaupten, dies ginge nur auf die Besonderheiten der Schlecker-Konzernpolitik zurück, und lenken von den gesetzmäßigen Zusammenhängen der kapitalistischen Wirtschaft ab. Tatsächlich stagniert der Markt für Drogerie- und Körperpflegeartikel schon seit dem Jahr 2000, seit Beginn der Weltwirtschaftskrise Ende 2008 ist er wegen sinkender Masseneinkommen weiter geschrumpft. Vor diesem Hintergrund verschärfte sich der Konkurrenzkampf unter den Drogeriemarktketten enorm.

Die drei großen Drogeriekonzerne Schlecker, Rossmann und "dm" reagierten mit einer Vernichtungsschlacht. Kleinere Drogerieketten wie "kd", Douglas Drospa und "idea" wurden bereits ver- bzw. aufgekauft. Die Kette "Ihr Platz" steckt noch im Insolvenzverfahren. Eine zusätzliche Konkurrenz stellen Discounter wie Aldi und Lidl dar, die immer mehr Drogerieartikel in ihr Sortiment aufnehmen.

Schlecker setzte zunächst auf eine aggressive Ausdehnung des Filialnetzes in die Breite, was angesichts des stagnierenden Gesamtmarkts und sinkender "Flächenproduktivität" der Filialen jedoch scheiterte. 2010 brach der Umsatz von Schlecker um rund 10 Prozent ein. Die Drogeriekette "dm" erzielte demgegenüber ein Umsatzplus von 9,3 Prozent, Rossmann von 10,5 Prozent. Beide Konkurrenten konnten Schlecker Marktanteile abjagen.

Eine Rolle spielen dabei auch finanzkräftige Eigentümer. So gehört Rossmann seit 2002 zum internationalen Übermonopol Hutchison Whampoa aus Hongkong und setzt seitdem ebenfalls auf einen aggressiven Expansionskurs. Dem Insolvenzantrag von Schlecker ging dagegen die Verweigerung eines Überbrückungskredits in Höhe von 150 Millionen Euro durch die Banken voraus. Nicht nur im Drogeriesektor, sondern im ganzen Einzelhandelsbereich findet eine Neuordnung der Konzernstrukturen auf Betreiben des internationalen Finanzkapitals statt.

Im Zentrum steht die Verschärfung der Ausbeutung der Arbeiter und Angestellten. Schlecker versuchte über die Leiharbeitsfirma "Meniar" die Tarifverträge zu unterlaufen und Verkäuferinnen mit einem Stundenlohn von 6,78 Euro abzuspeisen. Gegen solche Praktiken setzte sich die Belegschaft gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi erfolgreich zur Wehr. Es wurden verschiedene Tarifverträge zur Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durchgesetzt.

Die jetzt beantragte "Planinsolvenz" gibt dem Insolvenzverwalter weitreichende Möglichkeiten an die Hand. Er kann Mietverträge für Filialen innerhalb von nur drei Monaten kündigen. Ähnliches gilt für Verträge mit Lieferanten. Außerdem begrenzt das Insolvenzverfahren Abfindungen für gekündigte Kollegen auf maximal 2,5 Monatslöhne, wenn überhaupt welche gezahlt werden. Tarifverträge verlieren ihre Gültigkeit, tarifvertragliche Kündigungsfristen werden ausgehebelt. All das zielt in erster Linie auf die rücksichtslose Durchsetzung der bereits von den Firmeninhabern geplanten "Umstrukturierung". Wenn das nicht erreicht werden kann, bleibt als "Plan B" die Zerschlagung des Schlecker-Konzerns, um auf diesem Weg die Forderungen der Banken und des Großhandels, der so genannten "Gläubiger", zu bedienen. Beides ist für die Beschäftigten keine Alternative.

Eine Kollegin bei Schlecker in Oberhausen zu "rf-news": "Die Meldung von der Insolvenz war wie ein Tritt in die Kniekehlen. Seit sechs Jahren schufte ich hier, oft ganz alleine, nicht mal Telefon ist da. So wie ich sind viele Beschäftigte alleinerziehende Mütter oder arbeiten auf 400-Euro-Basis. Die haben Verluste gemacht? Dass ich nicht lache, bei diesen Hungerlöhnen, die wir bekommen. Der Schlecker will nur auf billige Weise Tausende von Leuten loswerden." Tatsächlich gehört die Eigentümerfamilie Schlecker mit geschätzten drei Milliarden Euro Privatvermögen zu den 400 reichsten Familien weltweit (laut Liste des US-Magazins "Forbes").

Mit dem Insolvenzverfahren wird die Vernichtung tausender Arbeitsplätze vorbereitet. Zugleich wird dadurch die Grundversorgung großer Bevölkerungsteile in den Vororten und auf dem Land noch mehr eingeschränkt. Das Schlecker-Insolvenzverfahren ist auch ein Vorbote für kommende verschärfte Angriffe auf die Arbeiter in Deutschland. Ein konzernweiter Kampf der 47.000 Beschäftigten in Europas Schlecker-Filialen gegen die Pläne zur Arbeitsplatzvernichtung und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ist im Interesse breiter Bevölkerungskreise und würde große Solidarität gerade von den Beschäftigten anderer Branchen erfahren.