Betrieb und Gewerkschaft

Tarifrunden 2012: "Die Kraft von fünf Millionen Kolleginnen und Kollegen in die Waagschale werfen"

26.01.12 - Für fünf Millionen Beschäftigte gehen die IG Metall und Verdi in diesem Frühjahr in die Tarifauseinandersetzung mit den Unternehmerverbänden. Diese Woche finden vier "Auftakt"-Regionalkonferenzen im IGM-Bezirk Nordrhein-Westfalen statt. In immer mehr Vertrauenskörperversammlungen wird heftig über die Forderungen debattiert. Ähnlich wie uns aktuell von Bosch-Rexroth Hannover berichtet wird, schlagen viele vor, um die 7,5 Prozent mehr Lohn zu fordern.

In der diesjährigen Metall-Tarifrunde stehen neben der Entgeltforderung auch die schon am 31. Mai 2011 aufgestellten Forderungen der IG-Metall-Tarifkommission nach "Übernahme aller Auszubildenden" und nach einer "fairen Regelung der Leiharbeit" auf der Tagesordnung. Denn in immer mehr Betrieben wächst der Unmut über die Dumpinglöhne und die Spaltung der Belegschaften durch die Leiharbeit, aber auch darüber, dass die Auszubildenden immer öfter nach Ende der Ausbildung entlassen und als Leiharbeiter zu Niedriglöhnen wieder eingestellt werden.

"In den Betrieben untergraben Arbeitgeber mit der Leiharbeit geltende Tarifverträge, bauen reguläre Arbeitsplätze ab und ziehen eine Billiglohnlinie ein. ... Seit die rot-grüne Bundesregierung mit den Hartz-Gesetzen die Regeln für Leiharbeit de facto abgeschafft hat, wächst ihre Zahl", kritisiert die IG Metall zu Recht ("Zweigleisig zu mehr Gerechtigkeit", IGM-Homepage, 20.12.2011). Seit 2003 hat sich daher die Zahl der Leiharbeiter von 328.000 auf über 950.000 Ende 2011 fast verdreifacht.

Nach § 9 Nr. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sollten Leiharbeiter zwar gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen wie die Arbeiter des Einsatzbetriebes erhalten. Zugleich wurde aber die Möglichkeit vorgesehen, per Tarifvertrag davon abzuweichen. Die Leiharbeitsverbände bedienten sich daraufhin der Scheingewerkschaft "CGZP" zum Abschluss von Dumpingtarifverträgen. Statt den entschlossenen Kampf für die Anwendung der im Einsatzbetrieb geltenden Tarifverträge aufzunehmen, schlossen die DGB-Gewerkschaften allerdings ebenfalls mit diesen Verbänden Extra-Tarifverträge ab, was die Ausdehnung des Niedriglohnsektors begünstigte.

Es wäre deshalb an der Zeit, dass die IG-Metall-Führung selbstkritisch dazu Stellung nimmt und sofort zusammen mit den anderen DGB-Gewerkschaften alle Sondertarifverträge für Leiharbeiter kündigt. Gemeinsam muss gefordert werden, dass sämtliche in den Entleihfirmen gültigen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen auch für die Leiharbeiter vom ersten Tag ihrer Arbeit an gelten.

Die Übernahme nach der Ausbildung und die Bezahlung der Leiharbeit standen in Nordrhein-Westfalen schon am 2. Dezember 2011 bei ersten Verhandlungen mit den Unternehmerverbänden zur Debatte, die aber bisher jede Vereinbarung rundweg ablehnen. Die Metaller sollten sich deshalb an den Erfolgen der Stahlarbeiter orientieren. In der kämpferischen Stahl-Tarifrunde 2010 mussten die Stahlmonopole zumindest eine gleiche Bezahlung für die Leiharbeiter (allerdings noch nicht die rechtliche Gleichstellung) akzeptieren. Und in der Tarifrunde im November 2011 mussten sie wegen der großen Kampfbereitschaft der Stahl-Kollegen als grundsätzliche Richtlinie die unbefristete Übernahme der Auszubildenden zugestehen.

Allerdings haben Unternehmerverbände und IGM-Führung die Verhandlungen über die Übernahme und die Leiharbeit von der Entgelt-Tarifrunde abgekoppelt. Sie wollen mit ihren Sonderverhandlungen offenbar die Themen Leiharbeit und Übernahme noch vor der Entgelt-Tarifrunde, also bis Ende Februar, vom Tisch haben, um die politische Brisanz einer Verknüpfung der Tarifauseinandersetzung mit diesen Themen zu vermeiden (siehe auch die aktuelle "Rote Fahne" 4/2012).