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Merkels China-Reise: "Strategische" Kumpanei

03.02.12 - Kanzlerin Merkel ist zum fünften Mal in China zu Besuch. Das deutet schon den wachsenden Stellenwert der Beziehungen zwischen Deutschland als dem stärksten imperialistischen Land der EU und China als der dominierenden imperialistischen Macht in Asien an. Deutschland setzt für das Krisenmanagement der EU dringend auf eine chinesische Beteiligung an den Euro-Rettungsschirmen. China ist aber auch besorgt, dass ein Krisenabsturz der EU weitreichende Folgen für die gesamte Weltwirtschaft haben wird.

Beide Länder spekulieren darauf, dem durch verstärkte gegenseitige Investitionen entgegen zu wirken. Liegen die deutschen Direktinvestitionen in China bei 17,8 Milliarden Euro, hat China erst etwa 1,3 Milliarden Euro in Deutschland investiert. Europa hat wichtige Bedeutung gerade für den Kapitalexport als Kern der chinesischen Expansion.

Das Hauptproblem sowohl der EU als auch Chinas ist die politische Destabilisierung. Das liegt in China weniger daran, dass im Herbst eine neue Partei- und Staatsführung gewählt werden soll, sondern an den massenhaften Unruhen, Aufständen und Streiks vor allem der Industriearbeiter. In Europa hat eine länderübergreifende revolutionäre Gärung den Mittelmeerraum erfasst. Generalstreiks und Arbeiterkämpfe gegen die Krisenprogramme der Regierungen nehmen auch in anderen europäischen Ländern zu.

Im Zentrum des China-Besuchs von Merkel steht das "Deutsch-chinesische Wirtschaftsforum" in Guangzhou (Kanton), wo gemeinsam Hindernisse für weitere Investitionen aus dem Weg geräumt werden sollen. Dazu hat Frau Merkel eine Delegation aus den deutschen Spitzen des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals mitgebracht: Die Chefs von VW, Siemens, BASF, Commerzbank, SAP, Post sowie Spitzenvertreter von Gesamtmetall, BDI und DIHT.

Um "Menschenrechte" geht es den Herrschaften dabei ganz bestimmt nicht – im Gegenteil. Die reibungslose Ausbeutung der chinesischen Arbeiter und die brutale Unterdrückung ihrer Kämpfe findet den ungeteilten Beifall der deutschen Monopole. Umgekehrt möchte China aber die Ausbeutungsbedingungen in Europa "investitionsfreundlich" gestaltet wissen. Da rennt man bei Merkel offene Türen ein: Sie versprach in Peking eine "Vereinfachung des Arbeitsrechts", "größere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes" und "niedrigere Löhne" und pries dabei Deutschland als Vorreiter in Europa an.

In einer Grundsatzrede vor der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften in Peking erklärte Merkel die Beziehungen zur "strategischen Partnerschaft". Die engere Zusammenarbeit mit China ist eine Reaktion auf die sprunghafte Verschiebung der imperialistischen Kräfteverhältnisse seit Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise, wo vor allem China im Konkurrenzkampf beschleunigt aufholt. Sie richtet sich zugleich gegen Versuche anderer führender Weltmächte wie der USA, aber auch Russlands, ihren eigenen Einfluss in China auszudehnen.

Wie sehr ihnen bei ihrer "strategischen Kumpanei" zur gemeinsamen Ausbeutung der Arbeiter in China und Europa die Arbeiterkämpfe im Nacken sitzen, zeigte sich in der überstürzten Absage eines Delegationsmitgliedes: Der Chef von ThyssenKrupp, Heinrich Hiesinger, musste wegen der explosiven Stimmung in seinem Konzern und der Streiks der Stahlarbeiter zu Hause bleiben.