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Interview mit einem Augenzeugen des Massakers in Port Said (Ägypten)
07.02.12 - Honda ist ein 20-jähriger Student, der in Ägypten lebt. Ein Mitglied des Jugendverbands REBELL übermittelte ihm das Beileid für die Opfer der konterrevolutionären Gewalt am 1. Februar im Port Said und führte das nachfolgend abgedruckte Interview. Honda war im Stadion, als 74 Menschen getötet und unzählige Menschen verletzt wurden ("rf-news" berichtete).
Rebell: Kannst du kurz berichten, was dort vorgefallen ist?
Honda: Erst einmal vielen Dank für dieses Interview. Ich hoffe, ihr könnt es verbreiten, weil es sehr wichtig für uns ist (insbesondere für die Menschen in Port Said, meiner Stadt), um zu zeigen, dass wir friedlich sind und kein weiteres Blutvergießen für das ägyptische Volk wollen.
Das Fußball-Spiel zwischen El Ahly und El Masry in Ägypten, gerade im Port-Said-Stadion, ist ein sehr wichtiges Ereignis für uns. Das ist wie Bayern München gegen Schalke in Deutschland. Es war zu erwarten, dass viel Polizei da sein würde, wie sonst normalerweise auch. Aber es gab nur ein paar unorganisierte Gruppen und ich als Fan von Port Said weiß, wie sie ihr Team unterstützen. Diesmal war zu viel Gewalt in den Liedern, sie drohten teils, El-Ahly-Fans zu töten. Wir waren überrascht, dass die Polizei draußen nichts dagegen unternahm. Ich habe zum Beispiel bis jetzt noch mein Ticket und niemand der Polizei kontrollierte diese, was es dann auch möglich machte, viele verschiedene Waffen ins Stadion zu bringen.
Nachdem die El-Ahly-Spieler das Stadion betraten, schossen unerwartet einige Fans ihnen Feuerwerkskörper entgegen! Einer der Spieler wurde verletzt und der Schiedsrichter brach nicht das Spiel ab! Das Spiel begann mit weiteren Würfen von Wasserflaschen und Steinen. In der Halbzeitpause betraten einige Fans das Spielfeld, ohne dass es irgendeinen Widerstand von Polizei oder Sicherheitsdienst gab. Dann startete die zweite Halbzeit und El Masry machte drei Tore. Merkwürdigerweise feierten die Fans jedes Tor mit den Spielern auf dem Rasen!(!!!)
El-Masry-Fans machten einen Menschengürtel, um das Spielfeld zu schützen. Zwei Minuten vor Schlusspfiff öffnete ein Polizist die Tür der El-Masry-Fans und sagte: "Los, tötet diese Bastards!" Tausende Fans betraten das Spielfeld und rannten mit Waffen und Feuerwerkskörpern hinter den El-Ahly-Fans her, um sie zu verletzen. Die größte Überraschung, die beweist, dass irgendetwas nicht stimmte, war, dass während der massiven Attacken die Stadionlichter ausgeschaltet wurden. Die Kerle hatten Taschenlampen bei sich, also wussten sie vorher Bescheid. Das Ergebnis sind 74 Getötete und 1.000 Verletzte.
Rebell: Wer waren die Mörder? Warum haben sie diese schrecklichen Taten begangen?
Honda: Es war von der Militärregierung SCAF (Superior Council of Armed Forces) geplant, mithilfe der Polizei und ein paar angeheuerten Schlägern. Damit wollten sie eine Gruppe der Al-Ahly-Fans beseitigen, die "Ultras Ahlawy" genannt werden. Sie kämpften gegen die Polizei in der Revolution und spielten eine wichtige Rolle. Übrigens, ich bin einer von ihnen. Sie versuchen mithilfe eines Bürgerkriegs in Ägypten die Übergangszeit der SCAF zu verlängern und ihre Kontrolle zu sichern.
Rebell: Wie ist jetzt die Stimmung in Ägypten und was wirst du machen?
Honda: Die echten Fans waren überrascht und erschüttert über die Ereignisse. Nach dem Spiel halfen sie den verletzten Personen und behandelten sie. Aber die Mörder waren unter ihnen und wir konnten sie nicht ausfindig machen. Alle Ägypter sind voller Wut. Einige sind jetzt wütend auf Port Said. Und Port Said ist traurig. Ich war selbst aktiv bei den Massendemonstrationen, die zum Sturz von Mubarak führten.
Die SCAF ist der Fortsatz von Mubarak, sie haben uns betrogen. Ich und meine Freunde von "Ultras Ahlawy" werden erst einmal unsere toten Brüder beerdigen. Danach werden wir wieder zum Tahrir-Platz gehen.
Rebell: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für euren revolutionären Kampf gegen das alte Regime!
Honda: Danke und Gott segne Ägypten.