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Erneut Generalstreik in Griechenland: "Nein zu Entlassungen! Nein zu Gehaltskürzungen! Nein zu Rentenkürzungen!"

10.02.12 - In Griechenland begann heute ein neuer 48-stündiger Generalstreik, zu dem beiden größten Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft, ADEDY und GSEE, aufgerufen haben. Der öffentliche Verkehr wurde weitgehend lahmgelegt. Im ganzen Land finden große Demonstrationen und wütende Proteste gegen die erneute Verschärfung des Krisendiktats statt. "Nein zu Entlassungen! Nein zu Gehaltskürzungen! Nein zu Rentenkürzungen!" - forderten die Demonstranten auf dem Syntagma-Platz in Athen.

Dem vorausgegangen war die weitgehende Unterwerfung der griechischen Regierung und Politiker der meisten bürgerlichen Parteien Griechenlands unter die Vorgaben der "Troika" aus Vertretern der EU, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie beinhalten, dass weitere 15.000 Staatsbedienstete 2012 entlassen werden sollen, bis 2015 insgesamt 150.000. Die Renten sollen um weitere 15 Prozent sinken, sämtliche Löhne "eingefroren" werden und vieles mehr.

Um dafür Stimmung zu machen und gezielt zu spalten, wird behauptet, "die Griechen" würden immer noch "über ihre Verhältnisse leben" und müssten erst einmal "ihren Beitrag" zur Rettung vor dem Staatsbankrott leisten. Tatsächlich lebt schon jetzt jeder fünfte Grieche unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Seit dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise Ende 2008 wurden bereits über 900.000 Arbeitsplätze vernichtet. Jeden Monat werden es 20.000 mehr. In den Arbeitervierteln der Großstädte prägen Hunger, Obdachlosigkeit und Unterernährung das Bild. 250.000 Menschen ernähren sich in öffentlichen Suppenküchen. Schulkinder in Arbeitervierteln müssen Essencoupons für Milch und Früchte erhalten, nachdem viele wegen Unterernährung ohnmächtig wurden.

Die Verelendung der Massen wird durch die neuen Beschlüsse auf ein unerträgliches Maß gesteigert. Die Nettolöhne werden in vielen Fällen fast halbiert, Tarifverträge ausgehebelt, Lohnzuschüsse abgeschafft und Steuern weiter erhöht. Der Mindestlohn soll erneut von 751 Euro brutto auf 584 Euro gekürzt werden, für unter 25-Jährige sogar auf rund 400 Euro. Das Arbeitslosengeld soll von 460 auf 360 Euro gesenkt werden.

Dabei betragen im Durchschnitt die Monatslöhne nur noch etwa 1000 Euro und die Renten knapp 500 Euro - und das bei annähernd gleich hohen Lebenshaltungskosten wie in Deutschland. Dazu kommen massive Kürzungen der Leistungen für Medikamente, sowie eine drastische Kappung von Zuschüssen für Städte und Gemeinden.

Es ist das gleiche internationale Finanzkapital, das Griechenland an den Rand des Staatsbankrotts gebracht hat und jetzt die Massen damit erpresst, um sie bis zum Äußersten auszuplündern. Griechenland wurde 2004 durch die EU gezwungen, die Steuer auf Kapitalerträge um 10 Prozent zu reduzieren (von 35 auf 25 Prozent). Die mit dem EU-Eintritt ins Ausland abfließenden Profite der großen internationalen Konzerne stiegen dadurch innerhalb von vier Jahren um 365 Prozent. Die geringeren Steuereinnahmen musste die griechische Regierung durch den Verkauf von Staatsanleihen und Schatzbriefen ausgleichen. In die Taschen der Gläubiger, vor allem französische und deutsche Banken, flossen über die Zinsen allein im Jahr 2009 67,5 Prozent des gesamten Steueraufkommens Griechenlands.

Die Euro-Finanzminister setzten die griechische Regierung gestern ultimativ weiter unter Druck. Es seien noch nicht alle Bedingungen für die Auszahlung des zweiten "Rettungspakets" in Höhe von 130 Milliarden Euro erfüllt. Bis nächsten Mittwoch hat die griechische Regierung Zeit, eine geforderte noch umfassendere Rentenkürzung entweder zu beschließen oder durch andere Maßnahmen auszugleichen.

Das Diktat des internationalen Finanzkapitals nimmt immer offenere neokolonialistische Formen an. Die deutsche und französische Regierung verlangen die Einrichtung eines "Sperrkontos", über das die Rückzahlungen an die Gläubiger abgewickelt werden sollen. Das käme dem vollständigen Verlust der Hoheit Griechenlands über den eigenen Staatshaushalt gleich. Als massiven Eingriff in dessen Souveränität lehnen mittlerweile auch andere EU-Ländern diesen Vorstoß ab. In Deutschland mehren sich Bedenken bürgerlicher Politiker, den Bogen nicht zu überspannen.

Der Hintergrund ist ihre Furcht vor einer weiteren Revolutionierung der Kämpfe der griechischen Massen. Das hätte in einer Situation wachsender Proteste gegen Krisenprogramme in ganz Europa große Ausstrahlung, allerdings erfordert das, bewusst mit der nationalistischen Hetze und Demagogie gegen "die Griechen" fertig zu werden. Die Organisierung der Solidarität mit den Massenprotesten und -streiks in Griechenland und die Kampagne zur Bekanntmachung sowie finanziellen Stärkung der revolutionären Weltorganisation ICOR gehören dabei eng zusammen.

(Die europaweiten Kämpfe gegen die Abwälzung der Krisenlasten werden auch Titelthema der nächsten "Roten Fahne" sein)