Betrieb und Gewerkschaft

Provokation: Unternehmerverband der Chemieindustrie fordert längere Arbeitszeiten

16.02.12 - Kurz vor Beginn der Tarifrunde für die 550.000 Beschäftigten der Chemieindustrie hat der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) provokativ eine Verlängerung der Arbeitszeit gefordert. Im Gespräch sind 42 Wochenstunden und mehr! Seit den 1990er-Jahren gibt es in dieser Branche eine tarifliche Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden. Außerdem will der BAVC Regelungen kürzerer Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte kippen. Bisher bekommen Schichtarbeiter ab dem 56. Lebensjahr dreieinhalb Stunden, und die nicht im Schichtbetrieb Arbeitenden erhalten ab dem 58. Lebensjahr zweieinhalb Stunden pro Woche frei.

Die Gewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie (IG BCE) hat für die Tarifrunde gestern sechs Prozent mehr Lohn gefordert. Zu Recht wies sie gleichzeitig das Ansinnen des BACV zurück. "Eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche wird es mit uns nicht geben", sagte Tarifvorstand Peter Hausmann. Eine Frechheit ist die Begründung des BAVC. "Da immer weniger junge Fachkräfte nachrücken, müssen die vorhandenen Mitarbeiter länger arbeiten", sagte BAVC-Verhandlungsführer Hans-Carsten Hansen. Dabei haben die Unternehmer der Chemiebranche seit vielen Jahren weit unter 10 Prozent Ausbildungsquote und die Arbeitsbelastung der Belegschaften wurde immer weiter verstärkt. Hunderttausende gut ausgebildete Jungarbeiter müssen zudem als Leiharbeiter ihr Dasein fristen. 

Die Metall-Monopole stoßen in die gleiche Richtung vor. So der Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall, Peer-Michael Dick: "In einem Boom und bei fehlenden Fachkräften wünschen wir uns mehr Flexibilität nach oben. Darüber wollen wir mit der IG Metall reden." (FTD, 17.11.2011) Ins gleiche Horn bläst ein kürzlich veröffentlichter Bericht der "Weltbank": "Die Europäer arbeiten weniger Stunden pro Woche, weniger Wochen pro Jahr und weniger Jahre ihres Lebens als Arbeitnehmer in anderen Regionen der Welt."

Hier geht es nur darum, in der mörderischen Vernichtungsschlacht der internationalen Monopole die besseren Karten zu haben - auf dem Rücken der Gesundheit der Arbeiter und Angestellten. Ein wesentlicher Bestandteil der Krisenprogramme in vielen Ländern ist deshalb die Arbeitszeitverlängerung - durch längere Wochenarbeitszeiten oder ein späteres Renteneintrittsalter. Dabei hat die Arbeitslosigkeit in Europa gerade eine Rekordhöhe erreicht: Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) waren im Jahr 2010 rund 45 Millionen Menschen in der Europäischen Union erwerbslos.

Und es bahnt sich ein erneuter tiefer Einbruch in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise an, der mit dem Übergang zu offenen Massenentlassungen einhergeht. Auch in Deutschland nimmt die Arbeitslosigkeit deshalb zu. In nahezu allen Branchen vernichten Großkonzerne zurzeit Tausende Arbeitsplätze. Davon sind mindestens 100.000 Arbeiter und Angestellte betroffen. Deshalb ist es auch sehr bedeutend, dass in vielen Ländern Europas der Kampf gegen die geplante Arbeitszeitverlängerung geführt wird.

Durch eine deutliche Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich können dagegen - auf Kosten der Profite - Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden. In den laufenden Tarifrunden sollte deshalb diese offensive Klassenforderung auch wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Gegen die Pläne des internationalen Finanzkapitals, die Ausbeutung noch weiter zu steigern durch die Verlängerung der Arbeitszeiten, fördert die MLPD eine internationale Initiative für den 6-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich. Das ist von großer Bedeutung für den weltweiten Zusammenschluss des internationalen Industrieproletariats.