Umwelt

Energiemonopole und Bundesregierung: "Rollback" in der Umwelt- und Energiepolitik?

26.02.12 - Einen "zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien" versprach die Bundesregierung in ihrem "Sechs-Punkte-Plan für eine beschleunigte Energiewende in Deutschland" vom April 2011. Er war damals hektisch unter dem Eindruck der Massenproteste nach der Fukushima-Katastrophe aus dem Hut gezaubert worden. Entgegen der schön klingenden Ankündigung war schon damals im Kleingedruckten so gut wie nichts über konkrete Pläne zum Ausbau von Windenergie, Photovoltaik oder Geothermie zu lesen.

Die Wirklichkeit sieht so aus, dass die staatliche Förderung insbesondere der Solarenergie schon in den letzten Jahren systematisch herunter gefahren wird. Diese Woche einigten sich Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschafts­minister Philipp Rösler (FDP) darauf, die im "Erneuerbare-Energien-Gesetz" (EEG) für den 1. Juli vorgesehene Kürzung der Einspeisevergütungen für Solarstrom auf den 9. März vorzuziehen. Statt der bislang geplanten Kürzung um 15 Prozent sollen sie um bis zu 30 Prozent gekürzt werden.

Für viele Kleinverbraucher machen diese Beschlüsse Investitionen in Solaranlagen zukünftig unrentabel, vor allem kleinere und mittlere Hersteller werden ruiniert und tausende Arbeitsplätze in der Branche bedroht. Dagegen protestierten am 23. Februar Tausende Beschäftigte von über 50 Solarunternehmen in Berlin und in zahlreichen anderen Städten. Der Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar) hatte zu dem Aktionstag aufgerufen.

"Was hier geplant ist, ist ein Solar-Ausstiegsgesetz. ... Die Existenz von vielen zehntausend Arbeitsplätzen in einer der wichtigsten Zukunftsbranchen steht auf dem Spiel. Rösler und die Interessen der großen Energiekonzerne haben sich durchgesetzt. Jetzt droht ein gewaltiger Rollback in der Umwelt- und Energiepolitik", so Carsten Kör­nig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. "Der Strom aus erneuerbaren Quellen ist für die großen Kraftwerksbetreiber ein absoluter Störfaktor", sagt Analyst Pascal Göttmann von der Münchener Bank Merck Finck. Für neue Großkraftwerke bedeute der "rasante Zubau der erneuerbaren Energien ein kalkulatorischen Risiko".

EnBW baut ein neues Kraftwerk in Karlsruhe, Vattenfall baut in Hamburg, Eon hofft noch immer auf die Fertigstellung des Kraftwerks in Datteln und RWE nimmt derzeit ein 2.200-Megawatt-Braunkohlekraftwerk südwestlich von Düsseldorf in Betrieb. Nachdem der Massenwiderstand den Energiemonopolen einen Strich durch die Rechnung der Steigerung ihrer Maximalprofite durch die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke gemacht hat, drängen sie nun darauf, ihre umweltverpestenden Kohle- und Gaskraftwerke optimal auszulasten. Der wachsende Marktanteil kleinerer und mittlerer Solaranlagenhersteller bzw. -betreiber ist ihnen dabei ein Dorn im Auge. "Deutlich noch mehr Solarstrom würde die Rentabilität der Anlagen belasten", meint Analyst Sven Diermeier von "Independent Research".

Auch bei der Windenergie fließen die staatlichen Subventionen einseitig in riesige Offshore-Windkraftanlagen auf dem Meer, von deren Bau vor allem internationale Monopole wie Siemens, aber auch Großinvestoren und die Energiekonzerne profitieren. So stellte die Kreditanstalt für Wiederaufbau für ein Sonderprogramm "Offshore Windenergie" fünf Milliarden Euro an Subventionen zur Verfügung. Dabei ist Offshore-Windkraft inzwischen die teuerste Form der erneuerbaren Energien. "Alte Windkraftanlagen an Land durch neue zu ersetzen, wäre deutlich billiger", meint dazu Energieexperte Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).

Derzeit werden in Deutschland rund eine Million Solarstromanlagen betrieben. Sie werden in diesem Jahr bereits mehr als vier Prozent des deutschen Strombedarfs decken. An sonnigen Tagen ersetzt der Solarstrom bereits rechnerisch 15 bis 20 Großkraftwerke. Bei dem Geschacher der Konzerne um ihre Maximalprofite bleibt der dadurch mögliche schonende Umgang mit Rohstoffen und Natur auf der Strecke.

Gegen diese Regierungspläne und für den sofortigen Ausbau regenerativer Energien einzutreten, ist eine zentrale Kampfaufgabe der Umweltbewegung, die auch bei den geplanten Aktivitäten am Jahrestag der Reaktorkatastrophe in Fukushima eine wichtige Rolle spielen muss. Die Erfolge beim Kampf gegen die Laufzeitverlängerung der AKWs zeigen, was ein breiter Massenwiderstand erreichen kann.