Politik
Hektische Verhandlungen, um die offene Staatskrise vom Tisch zu kriegen
20.02.12 - Die Regierungskoalition stand gestern Abend am Rande des Zerbrechens. Seit Freitag hektische Reaktionen auf den Rücktritt von Christian Wulff als Bundespräsident. Merkel sagte ihre Italienreise ab, sofort wurde in aller Eile die Suche nach einem neuen Mann für das Spitzenamt aufgenommen. Die Hektik lässt sich erklären: Es wurde versucht, den Rücktritt des Bundespräsidenten möglichst schnell vergessen zu machen, denn mit dem Wulff-Skandal hat sich die latente Vertrauenskrise in die bürgerliche Politik, ihre Institutionen und Parteien in eine offene Staatskrise umgewandelt.
Noch am Nachmittag hatte sich die CDU-Führung gegen Joachim Gauck ausgesprochen, aber die FDP bestand auf dem Mann. Schließlich einigten sich die Spitzen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen auf den neuen Kandidaten: Gauck, der ausgemachte Antikommunist, Ex-DDR-Pfarrer, -Bürgerrechtler und ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, ist der Auserwählte. Es zeigt viel vom "Demokratieverständnis" Merkels, wie unverschämt bei den Verhandlungen "Die Linke" behandelt und ausgeschlossen wurde - sie wurde immerhin von fünf Millionen Bürgern gewählt!
Es ist das erste Mal in Deutschland, dass ein Bundespräsident als oberster Repräsentant des Staats zurücktreten musste, weil er bei den Leuten unten durch war. Die Jagd auf persönliche Vorteile und sein Gespinst immer neuer Er- und Verklärungsversuche stieß die Menschen zunehmend ab. Der Rücktritt wurde lange hinausgezögert, um eine offene Staatskrise zu vermeiden. Aber spätestens seit der Einleitung von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover wegen des Verdachts auf "Vorteilsannahme" und als klar war, dass die Immunität des obersten Staatsrepräsentanten aufgehoben würde, war der Mann nicht mehr zu halten. Rechtsanwalt Frank Jasenski, Gelsenkirchen: "Bei bürgerlichen Politikern ist, glaube ich, als Strafe für Vorteilsannahme der erhobene Zeigefinger vorgesehen. Tatsächlich ist aber Vorteilsannahme im Amt mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe nach § 331 StGB belegt."
Die Masse der Bevölkerung entzog Wulff immer mehr das Vertrauen. Damit hat die latente politische Krise in Deutschland eine neue Qualität erreicht. Angesichts der Abwälzung der Krisenlasten nehmen in der Bevölkerung Gedanken über gesellschaftliche Alternativen zu diesem kapitalistischen System zu und mehr Wachsamkeit und Kritik entwickelt sich an der bürgerlichen Moral der Repräsentanten des Kapitalismus: an denen, die dem Volk "Wasser" predigen und selbst Wein trinken; an ihrer Verantwortungslosigkeit und ihrem Festkrallen am Amt wie bei Duisburgs OB Sauerland, der mit 85,8 Prozent der abgegebenen Stimmen abgewählt wurde; an dem volksfeindlichen und arroganten Verhalten der FDP-Größen Westerwelle und Lindner, die sich in ihren Funktionen nicht mehr halten konnten, und ihrer Partei, deren Umfragewerte allmählich gegen Null tendieren; an der dreisten Bereicherung auf Kosten der Steuerzahler wie bei den Koalitionären der NRW-Regierung, die sich unverschämte Diätenerhöhungen genehmigten; und eben auch am "immer aufrechten Schnäppchenjäger" Wulff, seines Zeichens gewesener Bundespräsident.
Ausgerechnet der oberste Repräsentant des kapitalistischen Staats hat das Prinzip "eine Hand wäscht die andere", das Prinzip der engsten persönlichen Verflechtung von Kapital und bürgerlicher Politik, so lebendig vorgeführt! Der "Fall Wulff" darf nicht vom Tisch gewischt werden, wie es Merkel und Co. unter der Losung "nach vorne schauen" gerne hätten. Es stößt völlig zu Recht auf riesige Empörung in der Bevölkerung, wenn so einer jetzt bis ans Lebensende 199.000 Euro im Jahr erhalten soll als Belohnung für sein dreistes Verhalten.
In einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Zeitschrift "Superillu" waren mehr als drei Viertel der Befragten in Ostdeutschland (77 Prozent) der Meinung, dass Wulff keinen "Ehrensold" verdient hat. Nur 16 Prozent waren der Auffassung, dass ihm das zusteht. Die MLPD fordert, dass diese Alimentierung Wulffs ohne Wenn und Aber gestrichen wird! Und natürlich muss er - auch das fordert die MLPD - wie jeder normale Bürger sich vor Gericht verantworten und bestraft werden, wenn sich der Verdacht auf "Vorteilsannahme" bestätigt!