Umwelt
BP: Mit 7,8 Milliarden Dollar vom Umweltverbrechen reingewaschen?
03.03.12 - Zwei Tage vor dem geplanten Beginn eines Mammut-Prozesses gegen BP wegen der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko im April 2010, hat sich der Konzern auf einen Vergleich mit den Klägern eingelassen. BP wird Privatleuten und Firmen 7,8 Milliarden Dollar an Entschädigungszahlungen leisten, teilte der Ölmulti heute mit. Das zuständige Bezirksgericht muss dem noch zustimmen. In dem immer wieder verschobenen Mammutprozess wollten mehr als 100.000 Kläger hohe Entschädigungen.
BP-Chef Bob Dudley zeigte sich mit der Einigung zufrieden: "Die vorgeschlagene Einigung bedeutet signifikante Fortschritte zur Lösung aller Probleme des Deepwater-Horizon-Unfalls." Für einen der größten Ölmultis weltweit aus der Profitmasse leicht zu bezahlen, alleine im letzten Jahr wies BP einen offiziellen Gewinn von 23,9 Milliarden Dollar aus. Schadensersatzforderungen der US-Regierung sind allerdings noch offen. Der diesbezügliche Prozess wurde erneut vertagt.
Bei der Katastrophe im April 2010 war die Ölplattform "Deepwater Horizon" explodiert. Elf Menschen starben. Geschätzte fünf Millionen Barrel Öl liefen 87 Tage lang ins Meer. Das ist die unvorstellbare Menge von 578.000 Kubikmetern Öl. Entgegen der Behauptung, das Öl sei durch Bakterien aufgelöst worden, ist der Meeresboden auf Hunderten Quadratkilometern von einer giftigen Ölschicht überzogen, Küstengewässer, Fische und Meerestiere sind vergiftet.
Zu der Katastrophe kam es, als ein Bohrloch in 1.500 Meter Wassertiefe undicht wurde und nicht mehr verschlossen werden konnte. Skrupellos werden weltweit immer mehr Offshore-Plattformen zur Ölforderung eingesetzt, ungeachtet der Gefahren und der Verseuchung der Weltmeere. Auch in der für Rettungsaktionen völlig unzugänglichen Arktis. Unmittelbar nach der Katastrophe hatte US Präsident Obama ein generelles Verbot neuer Offshore-Bohrungen verhängt, das jedoch keine sechs Monate später auf Druck der Ölmultis wieder aufgehoben wurde. Aus dem 380 Seiten umfassenden Bericht der von der US Regierung eingesetzten Untersuchungskommission geht hervor, dass sich bereits am 23. Dezember 2009 auf einer Bohrplattform in der Nordsee ein "gespenstisch ähnlicher Beinahe-Unfall" wie der vier Monate später im Golf von Mexiko ereignete.
Die Katastrophe kündigte sich an. Eine Woche vor der Katatrophe fehlten wichtige Bauteile zur Abdichtung ihrer Bohrstelle - die sogenannten "Centralizer" - oder sie passten nicht. Also beschloss BP, darauf zu verzichten. "Was soll's", schrieb BP-Ingenieur Brett Cocales in einer E-Mail, "Ende der Geschichte, wahrscheinlich wird's hinhauen" (Seite 116 des Berichtes). Der Bericht deckt auf, dass BP, die Vertragspartner Haliburton und Transocean sowie die US-Behörden die volle Verantwortung für die größte Umweltkatastrophe der US-Geschichte haben. BP hatte die "Deepwater Horizon" von Transocean geleast. Haliburton hatte den Zement zur Bohrloch-Abdichtung geliefert.
Wie skrupellos für den Profit mit der Umwelt umgegangen und die Schuld dem Bedienungspersonal zugeschoben wird, zeigen aktuelle Erklärungen deutscher "Experten". Kurt Reinicke, Leiter des Instituts für Erdöl- und Erdgastechnik an der TU Clausthal: "Es kommt beim Bohren immer mal zu Überraschungen, im Jargon der Bohrleute zu einem 'Kick', also einem unkontrollierten Zufluss aus dem Gestein ins Bohrloch."
Matthias Reich, Direktor des Instituts für Bohrtechnik und Fluidbergbau an der TU Bergakademie Freiberg, sieht den Fehler darin, dass das Personal vor dem Unglück bewusst Sicherheitsstandards ignoriert habe: "Die Leute müssen verinnerlichen, dass im Zweifel Sicherheit vor Geldverdienen kommt." Beide Forscher wollen Öl-Unfälle in Zukunft nicht ausschließen. "Theoretisch kann man immer mehr Sicherungssysteme fordern", sagt Reich, "aber das beißt sich natürlich mit der Forderung derselben Menschen, dass Energie bezahlbar sein soll" ("zdf-online", 3.3.12).
In dem Buch "Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution" heißt es: "Das internationale Finanzkapital wird nicht davor zurückschrecken, der Erde sämtliche Rohstoffe zu entreißen und sie dann zu verschwenden. Es betreibt eine ausufernde 'Wegwerfkultur' und wehrt sich mit Zähnen und Klauen gegen die Einführung einer umfassenden Kreislaufwirtschaft, in der die Rohstoffe recycelt werden. Die Technologien sind vorhanden,sie würden die Ressourcen schonen und wären volkswirtschaftlich äußerst rentabel. Aber sie werden nicht genutzt" (Seite 193/194).
Mit der Milliarden-Abfindung lassen sich BP und die internationalen Ölkonzerne nicht von ihren Umweltverbrechen reinwaschen. Die Umweltbewegung ist herausgefordert, weltweit ein Stopp der Offshore-Bohrungen und Förderung erneuerbarer Energien durchzusetzen.