Betrieb und Gewerkschaft
Schlecker: "Insolvenz in nie dagewesener Dimension" - Proteste zum Internationalen Frauentag geplant
01.03.12 - Der Insolvenzverwalter von Schlecker, Arndt Geiwitz, hat gestern als "Insolvenzplan" veröffentlicht, dass fast 12.000 der insgesamt 25.000 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verlieren sollen. Von den zurzeit 5.410 Filialen würden danach weniger als 3.000 übrig bleiben. Abfindungen für gekündigte Kollegen sind jetzt auf maximal 2,5 Monatslöhne begrenzt, Tarifverträge und Kündigungsfristen gelten nicht mehr. Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske sprach heute von einer "Insolvenz in bisher nie dagewesener Dimension", die vor allem Frauen im untersten Einkommensbereich trifft.
In der Öffentlichkeit wird auch vom Insolvenzverwalter der Eindruck vermittelt, dass vor allem "Missmanagement" und versäumte "Modernisierungsmaßnahmen" zur Insolvenz geführt hätten. Das verdeckt die eigentlichen Ursachen im sich verschärfenden Konkurrenzkampf der Drogeriemarkt- und Einzelhandelsketten um Marktanteile (siehe "rf-news"-Artikel vom 24.11.12). Schon seit 2000 stagniert der Markt für Drogerieartikel und besonders seit Beginn der Weltwirtschaftskrise Ende 2008 ist er zunehmend geschrumpft.
Durch eine aggressive Ausdehnung seines Filialnetzes und drastische Verschärfung der Ausbeutung wollte Schlecker die Nase vorn behalten. Tarifverträge wurden ausgehebelt und Verkäuferinnen zu Stundenlöhnen unter 7 Euro erpresst. Das wurde von den vorwiegend weiblichen Beschäftigten durchkreuzt. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad wuchs an. Gemeinsam mit Verdi setzten sie in hartnäckigen Auseinandersetzungen Tarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen durch. Die Expansionsstrategie von Schlecker scheiterte an der Weltwirtschaftskrise und Konkurrenten wie "Rossmann" und "dm", die zu finanzstarken Übermonopolen gehören.
Jetzt soll ein "kompromissloser Strukturwandel“ mit Hilfe der sogenannten "Planinsolvenz" durchgesetzt werden. Dabei wurde der jetzt veröffentlichte Insolvenzplan vom Management schon vor der Insolvenzanmeldung erstellt. Dieses kann auch nach wie vor die Geschäfte führen. Bei der "Planinsolvenz" muss die Drogeriekette zudem drei Monate lang keine Löhne zahlen, denn die Beschäftigten erhalten nur ein Insolvenzausfallgeld von der Bundesarbeitsagentur, das in etwa dem Nettolohn entspricht. Die Orientierung des Verdi-Vorstands auf eine "Transfergesellschaft für Qualifikation und Vermittlung" führt nur zu einer Verzögerung des Übergangs in die Arbeitslosigkeit.
Zu begrüßen ist, dass Verdi zu gemeinsamen Aktionen mit den bei Schlecker beschäftigten Frauen rund um den Internationalen Frauentag aufruft. Der Protest gegen den Arbeitsplätze-Kahlschlag auf dem Rücken tausender weiblicher Beschäftigter passt genau zu diesem Tag, weil er den Schulterschluss der kämpferischen Frauenbewegung mit der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung voran bringt und weil er die Auseinandersetzung herausfordert, dass eine wirkliche Befreiung der Frau nur durch die Befreiung von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung möglich ist. Die kämpferische Frauenbewegung muss den Kampf der Schlecker-Kolleginnen und -Kollegen zu ihrer Sache machen und mit ihrer weitergehenden Perspektive verbinden.
Einem gemeinsamen Kampf um jeden Arbeitsplatz steht bisher vor allem im Weg, dass sich viele Beschäftigte von Schlecker noch mit ihrem Unternehmen identifizieren und das Hauptproblem darin sehen, dass es momentan in der Öffentlichkeit "schlecht geredet" würde. Umso wichtiger ist es, die Solidarität und den Erfahrungsaustausch gerade über Betriebs- und Branchengrenzen hinweg zu organisieren. (Unterschriftenlisten, Solidaritätsadressen und weitere Infos unter www.verdi.de)