International
Empörung über Wahlmanipulation in Russland: "Die gesellschaftliche Bewegung ist mit den Protesten stärker geworden"
05.03.12 - Gerade mal die Hälfte der Stimmen war offiziell ausgezählt, da erklärte sich der russische Ministerpräsident Wladimir Putin gestern schon zum Sieger der Präsidentenwahl. Vorläufige Hochrechnungen der Zentralen Wahlkommission bescheinigten ihm 64,4 Prozent der Stimmen. Das sind zwar weniger als er 2004 bei seiner letzten Wiederwahl in den Kreml erhielt. Angesichts der seitdem massiv angewachsenen Unzufriedenheit und der Massenproteste der letzten Monate gegen sein diktatorisches und korruptes Regime wird auch dieses Ergebnis von vielen Menschen angezweifelt. Vertreter der zur Wahl nicht zugelassenen Protestbewegung sowie russische Wahlbeobachter sprechen von tausenden Fällen der Wahlmanipulation am Tag der Abstimmung.
Ein Genosse der ICOR-Organisation Marxistisch-Leninistische Plattform Russland meint zur gegenwärtigen Protestbewegung gegenüber "rf-news": "Die Teilnahme an diesen Demonstrationen ist sehr unterschiedlich zwischen der Provinz und Moskau. In Moskau sind die Führer und Redner neoliberale Führer.
... In der Provinz sind mehr Arbeiter, Rentner usw. beteiligt. Deswegen stehen dort auch andere Forderungen im Mittelpunkt: Dort werden vor allem soziale Rechte gefordert. Dort sieht man mehr rote Fahnen bei den Kundgebungen.
Die gesellschaftliche Bewegung ist mit diesen Protesten stärker geworden. Das macht sich schon in der gewerkschaftlichen Bewegung bemerkbar. Es gibt mehr Möglichkeiten, aktiv zu sein, zu agitieren, auch über Umweltprobleme, kommunale Verwaltung, Gewerkschaftsbewegung. Diese Bewegungen stärken sich mit diesen Möglichkeiten. Auch in lokalen Wahlen werden mehr Parteien teilnehmen können. Das ist eine Politisierung. Die Frage ist noch, wohin sich dieser Prozess bewegt.
Die Mehrheit der Teilnehmer ist unter 30 Jahre alt, Teenager und Leute zwischen 20 und 30 Jahren bestimmen das Bild. Meistens gehören sie zu den Zwischenschichten. Sie gehen auf die Demonstrationen gegen Putin. Aber sie organisieren sich nicht, sie halten oft nichts von Parteien. ... Vor Mittwoch wird es keine fertige Auszählung der Wahlen geben. Dann wird es wahrscheinlich weitere Demonstrationen geben."
In einem Flugblatt an die Teilnehmer der Protestaktionen "Für ehrliche Wahlen!" schrieb die Marxistisch-Leninistische Plattform Russland im Vorfeld des Wahltags: "Genossen, ihr seid heute auf den Platz gekommen, um gegen das korrumpierte autoritäre Putin-Regime zu protestieren. Gegen ein Regime, das offen Wahlen fälscht und das Volk betrügt. Ihr kamt, um eure Unzufriedenheit auszudrücken. Wir sind darin solidarisch mit euch.
Wir schlagen euch vor, über etwas weiteres nachzudenken. Darüber, wer heute von den Tribünen dieser Kundgebung herab spricht, über die, die versuchen, sich auf den fahrenden Zug der Proteststimmung der Bevölkerung zu setzen, über die, die sich als den Führungsstab des spontanen Volkszorns ausgeben. ... Dazu gehört der Milliardär Prochorow, der die Einführung der 60-Stunden-Woche fordert sowie die Legalisierung der Leiharbeit und die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Dazu gehört der Nationalist und Hasser der kaukasischen Völker Navalnyj.
Man darf diesen Leuten nicht trauen, auch wenn sie heute über Demokratie und ehrliche Wahlen sprechen. Ähnlich wie sie und ihnen vergleichbare Leute in der Perestrojka-Zeit das Volk betrogen haben mit Reden über Demokratie, um das Staatseigentum zu verscherbeln und Millionen Menschen ihrer sozialen Garantien zu berauben, so reden sie auch heute heuchlerisch über 'Gerechtigkeit' und 'Demokratie', um - an die Macht gekommen - ihre Angriffe auf die Rechte der Werktätigen durchzuführen. ...
Wem es darum geht, dass im Land wirklich Gerechtigkeit herrscht, es ehrliche Wahlen gibt und keine korrupte Regierung, der sollte nicht an den schmutzigen Spielen der Politiker aus dem Putin-Lager oder der Neoliberalen teilnehmen, sondern selbst für sein Rechte in den Reihen der unabhängigen Gewerkschaften, der Umwelt-, Frauen- und antifaschistischen Initiativen kämpfen. Mit dem Ziel, dass sich in diesem Kampf der Kern einer neuen Partei herauskristallisiert, die fähig ist, die Massen zu einer tatsächlichen Revolution zu führen, zum Sieg einer Gesellschaft wirklicher Gerechtigkeit - der sozialistischen Gesellschaft."