Politik
Innenministerpläne zum NPD-Verbot: Zugeständnis und "Mogelpackung"
24.03.12 - Die Innenminister aus Bund und Ländern haben gestern beschlossen, die V-Leute des Geheimdienstes "Verfassungsschutz" aus den Führungsgremien der NPD angeblich "abzuschalten". Damit soll eine Voraussetzung für ein zweites Verbotsverfahren nach dem Scheitern des ersten Antrags der Schröder/Fischer-Regierung im Jahr 2003 geschaffen werden. Anlass der erneuten Diskussion über ein Verbot der NPD war die Mordserie der faschistischen Terrorgruppe NSU. Über 91 Prozent der Befragten sprachen sich im November 2011 bei einer Internet-Umfrage von "welt-online.de" dafür aus.
Die Innenministerkonferenz verband dies aber mit dem völlig vagen Auftrag, nun erst "wieder systematisch" Beweismaterial zu sammeln, um dann eventuell im Herbst ein neues Verfahren einleiten zu können. Da fragt man sich, was die mindestens 100 V-Leute auf Führungsebene der NPD bisher eigentlich getan haben? Entweder ihre "Beobachtungen" sind völlig nutzlos, werden für ein Verbotsverfahren absichtlich nicht verwendet oder diese Leute sind gar nicht dazu, irgendwelche "Beweise" zu sammeln.
Nach Artikel 139 des Grundgesetzes wäre es jederzeit möglich, alle faschistischen Organisationen zu verbieten. Die MLPD weist in ihrem Verbotsantrag von 2001 nach, dass damit das im Potsdamer Abkommen festgelegte Verbot "jeder nazistischen Betätigung und Propaganda" und das im Kontrollratsgesetz festgelegte Verbot der "Neubildung irgendeiner der angeführten Organisationen" (wie der NSdAP) umgehend umgesetzt werden kann. Gegenüber "rf-news" meint dazu der Gelsenkirchener Rechtsanwalt Frank Jasenski:
"Der Beschluss der Innenministerkonferenz, mit dem angeblichen Abzug der V-Leute des Verfassungsschutzes die Voraussetzungen für ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD zu schaffen, ist zunächst mal ein Erfolg der wachsenden Bewegung für ein solches Verbot. Ob dahinter ein ernsthafter Wille der Innenminister steht, darf bezweifelt werden. Das kann auch eine Maßnahme sein, um Luft aus dieser Auseinandersetzung zu nehmen und Aktivitäten vorzutäuschen.
Was jetzt als 'Abzug' oder 'Abschaltung' der V-Leute verkauft wird, ist eine Mogelpackung. Es geht nur darum, so zu tun, als ob sie dann keine Agenten mehr wären und nicht mehr vom Geheimdienst bezahlt würden. Ob das wirklich so ist, lässt sich im Endeffekt kaum kontrollieren. Das sind ja alles vom Geheimdienst angeworbene und bezahlte Faschisten, die weiterhin in der NPD aktiv sein werden. Wenn die jetzt alle ihre Vorstandsposten räumen, würde sofort die Identität all dieser Leute auffliegen. Abgesehen sollen auch nur V-Leute auf Bundes- und Landesvorstandsebene der NPD 'abgeschaltet' werden.
Was die Innenminister beschlossen haben, ist ein Verbotsantrag mit Ansage, nach dem Motto: 'Dann sammeln wir noch mal ein halbes Jahr Informationen und prüfen dann, was wir tun können.' Dass gibt der NPD nur Spielraum, in dieser Zeit so zu tun, als habe sie 'Kreide gefressen', worauf sich dann wieder die staatlichen Bedenkenträger melden und beklagen, man habe ja 'alles versucht', aber die Gründe für ein Verbot reichten eben doch nicht aus. In diesem Sinne hat sich bereits Bundeskanzlerin Merkel geäußert und interessanterweise auch 'Hoffnungsträger' Joachim Gauck, der ein NPD-Verbot für überflüssig hält.
Ein solches Parteiverbotsverfahren, wie es jetzt betrieben wird, ist ohnehin prinzipiell abzulehnen. Es erfolgt auf der Grundlage der Begründung des KPD-Verbotsurteils, nach der eine 'aggressiv-kämpferische' Haltung gegen die 'freiheitlich-demokratische Grundordnung' vorliegen muss. Das richtet sich aber gar nicht gegen faschistische Organisationen. Die einzige relevante Partei, die in der BRD jemals verboten wurde, war deshalb auch die KPD.
Zudem hat die NPD schon angekündigt, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, weil diese Art von Verbotsverfahren äußerst fragwürdig ist. Auch deshalb ist es notwendig, das Verbot der faschistischen Organisationen auf der Grundlage der vom Alliierten Kontrollrat erlassenen Bestimmungen zu verfolgen, die dafür völlig ausreichen. Darauf baut der Verbotsantrag der MLPD auf. Ob es tatsächlich zu einem Verbot der NPD und aller anderen faschistischen Organisationen sowie ihrer Propaganda kommt, wird nicht von der Innenministerkonferenz entschieden, sondern durch den aktiven antifaschistischen Kampf."
NPD und andere Neofaschisten können nirgendwo auftreten, ohne dass sich umgehend breiter antifaschistischer Protest formiert. Bei den verschiedenen antifaschistischen Aktivitäten an diesem Wochenende, u.a. in Solingen, Remscheid und Wuppertal, war das Verbot aller faschistischen Organisationen ein viel diskutiertes Thema.