Politik
Joachim Gauck - Hoffnungsträger für was und wen?
19.03.12 - Gestern hat die Bundesversammlung mit der zu erwartenden großen Mehrheit von 991 Stimmen im ersten Wahlgang Joachim Gauck zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Die Kandidatin der Linkspartei und als Antifaschistin bekannte Beate Klarsfeld erzielte 126 Stimmen. Dass überhaupt ein Kandidat der faschistischen NPD an der Präsidentenwahl teilnehmen konnte und niemand der Beteiligten daran Anstoß nahm, ist allerdings angesichts der aufgedeckten Mordserie, in die die NPD verstrickt ist, ein Skandal. Auch von Gauck, der sich in seiner Bewerbung als Anwalt für "Freiheit und Demokratie" ausgab, war davon in seiner ersten Stellungnahme nichts zu hören.
Die in den letzten Wochen teils noch kontroversen Diskussionen um die Rolle und Geschichte des angeblichen Bürgerrechtlers in der DDR, Joachim Gauck, waren nach der Wahl vergessen, und alle Spitzen der bürgerlichen Parteien beeilten sich, erste Gratulanten zu sein. Die Medien hoben Gauck in den Rang eines Hoffnungsträgers, so wie sie vor ein paar Jahren einen gewissen Barack Obama dazu hochjubelten. Dazu wurde ihm das Bild eines bescheidenen Pastors mit Volksnähe angedichtet und sein lehrmeisterlicher Stil der Selbstgerechtkeit in eine "begnadete Rhetorik" umgedeutet. Im Unterschied zur ARD-Umfrage von gestern, nach der ihn 80 Prozent für "glaubwürdig" halten, sehen das Menschen, die ihn näher kennen, wohl anders. So lehnten in einer Umfrage 58 Prozent der Leser der "Ostseezeitung" in Rostock den Vorschlag ab, ihn zum Ehrenbürger von Rostock zu machen und nur 38 Prozent waren dafür.
Joachim Gauck vermittelte in seiner kurzen Ansprache nach der Wahl den Eindruck, dass er auch in der Lage sei, auf die in den letzten Wochen geäußerten Kritiken auf seine politisch reaktionären Positionen einzugehen, ohne jedoch eine einzige wirklich zurückzunehmen.
So hat er bekanntlich die Hartz-Gesetze, die Hunderttausende in die Armut treiben, begrüßt. Er hat Sarrazin mit seinen rassistischen Thesen als "mutig" gelobt. Und er rechtfertigte den imperialistischen Afghanistan-Krieg und die Unterdrückung des palästinensischen Volkes durch den israelischen Staat als angebliches Recht Israels auf Selbstverteidigung. Seine einzige "Selbstkritik" bestand darin, dass er manches heute "anders formulieren" würde.
Auch an der Beibehaltung seiner reaktionären antikommunistischen Grundhaltung ließ Joachim Gauck in dem ersten Fernsehgespräch am Abend keinen Zweifel. Auf die kritische Frage, ob er denn immer noch den Hitlerfaschismus mit dem System in der DDR gleichsetze, antwortete er lavierend. Man hätte ihn bei vielen seiner Äußerungen falsch verstanden. Natürlich könne man das "schwarze Loch", in das Deutschland gefallen war (so bezeichnete er den Faschismus, den er nie offen so nennt!), nicht mit der anschließenden DDR gleichsetzen. Er wolle darin keinen Paradigmenwechsel vornehmen.
Aber (dieses "Aber" war typisch in seinen ganzen Rechtfertigungen) er wolle sich einsetzen, dass die "Verbrechen des Kommunismus" mehr in den Mittelpunkt der öffentlichen Anklage gestellt werden. Damit folgt er seiner Linie, die er als Mitautor des "Schwarzbuch des Kommunismus" eindeutig formuliert hatte: nämlich dass die Oktoberrevolution 1917 ein historischer "Qualitätssprung ins Negative" verbunden mit einem "gigantischen Menschheitsverbrechen" gewesen sei. Also diese große sozialistische Revolution, die den barbarischen I. Weltkrieg beendet hatte, die Millionen zu Sklaven verurteilte Bauern und Arbeiter befreite und die auch Ausgangspunkt für die Novemberrevolution 1918 in Deutschland war, welche den kaiserlichen Militärdespotismus stürzte und erstmals bürgerlich-demokratische Rechte in Deutschland brachte!
Mit seiner Grundrichtung macht Gauck auch die repräsentative Spitze des Staates offener und schärfer zu einem Organ des Antikommunismus, der die Massen abhalten soll, sich positiv mit der Frage nach der sozialistischen Alternative zu befassen. Er ist nicht der Repräsentant aller Deutschen, auch nicht mal der Mehrheit der Bevölkerung. Sondern ein aggressiver Verteidiger der kapitalistischen Ordnung und ein Hoffnungsträger für die winzige parasitäre ausbeuterische Schicht des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals. Es ist kein Zufall, wenn der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, in einem Interview mit dem "Deutschlandfunk" zwei Tage vor der Wahl empfohlen hatte, Gauck "eine Chance zu lassen".