Betrieb und Gewerkschaft
Opel-Betriebsversammlungen am Wochenende
01.04.12 - Hier sind zwei Korrespondenzen von den Betriebsversammlungen bei Opel in Rüsselsheim am 30. März und in Bochum am 31. März:
Rüsselsheim (Korrespondenz), 30.03.12: Morgens wurde an den wichtigsten Toren die Extra Nummer der "Roten Fahne" verkauft: So kamen 28 Exemplare in den Betrieb. 6,50 Euro Spende gab's an den Produktions- Toren. Das zeigte Interesse an der internationalen revolutionären Organisation ICOR. Gerade weil auch in der Vorwoche schon an den Toren die Flyer verteilt wurden. Die Auseinandersetzung mit der gesamten Situation wühlt die Kollegen auf. Die Auseinandersetzungen im Betrieb und auch im Funktionärskörper politisieren sich.
Auf der Versammlung wurde es eindeutig. Die Kollegenzeitung "Blitz" hatte das richtig eingeschätzt. Es geht nicht nur um Drohungen und Einsparungen. GM will den gesamten EU Bereich auf Kosten der Kollegen neu strukturieren (siehe auch "rf-news" vom Donnerstag: "Keine Akzeptanz für die Stilllegung von Opel-Werken!"). Ebenso deutlich wurde, dass das die Belegschaft nicht hinnehmen wird. Die Abwesenheit des neuen Opel-Chefs Thorm wurde mit viel Pfiffen quittiert. Arbeitsdirektor Kimmes wurde für den Bericht der Geschäftsleitung auf die Bühne gebeten und von einem Pfeifkonzert begrüßt. Auch der Anfang seiner Rede und mehrere dreiste Textpassagen - unter anderem eine Hetze gegen die Opelaner in Polen - wurden immer wieder von Zwischenrufen wie "Geh nach Hause" und einem Pfeifkonzert begleitet.
Kimmes versuchte, die schwierige Marktsituation zu schildern. Er könne sich auch nur schwer vorstellen, wie dieses Jahr die Löhne um 10 Prozent steigen sollen. Die große Abwesenheitsrate im Werk müsse verringert werden. Irgendwann müsse das hier profitabel werden. Allzuviel Zeit bleibe da nicht. Er habe auch Druck von GM. Viele Kollegen verließen aus Protest den Saal. Auch zum Abschied gab's noch mal ein Pfeifkonzert statt des gewohnten Respektbeifalls.
Die Auszubildenden und Kollegen aus den Zentralwerkstätten (H-Bau) waren in einem Demonstrationszug zur Betriebsversammlung gekommen. Die Azubis kamen mit ihrer Forderung zur unbefristeten Übernahme. Dabei spielte auch die Kritik an der Leiharbeit eine Rolle. Auf den mitgebrachten Transparenten hängten sie ihre Forderungen und Themen in die Halle: "Jung und prekär / Übernahme ab sofort" , "Leiharbeit - Unsere Arbeitskraft ist keine Ramschware", "Ja zur unbefristeten Übernahme", "Operation Übernahme - IGM-Jugend". Schon am Vortag prägten sie mit ihrer Aktion die Kundgebung der IG Metall zur Tarifrunde in Darmstadt. Dort sind Opelaner mit fünf Bussen hingefahren.
Die Kollegen aus den Zentralwerkstätten kamen mit ihren Schildern und IGM-Fahnen und setzten sich direkt auf die Stühle in den ersten Reihen vor dem Rednerpult. In der Vorwoche hatte die Geschäftsleitung angedroht, entweder eine Restrukturierung oder eine Schließung des H-Bau vorzunehmen. Sie will 550 Kollegen in der Produktentwicklung mit Abfindung loszuwerden, Teile der Arbeit nach Asien zu verlagern und die Kollegen dann nur noch die Reparaturen und Ausgleichsarbeiten machen lassen. Zu den 550 hätten viele aus den Zentralwerkstätten (derzeit arbeiten im betroffenen H-Bau 519 Beschäftigte) gehört. Auf ihren Schildern trugen sie Sprüche wie "WIR sind der H-Bau", "Hände weg von unseren Arbeitsplätzen", "Schätze erhalten".
Die kämpferische Rede des neuen Betriebsratsvorsitzenden Klug fand vor allem Beifall, als er betonte, dass es keine Verhandlungen geben wird, wenn über Werkschließungen gesprochen werden soll. Er umschrieb diese allerdings sehr schwammig als "Kapazitätsabbau".
Bochum (Korrespondenz), 31.03.12: Auf der Betriebsversammlung heute am Samstag waren etwa 2.000 bis 2.500 Kolleginnen und Kollegen. Das sind deutlich mehr als bei der letzten Versammlung. Es waren schon bestimmte Erwartungen da. Man wollte jetzt mehr zu erfahren und die Standpunkte vom Management, vom Betriebsrat und den kämpferischen und klassenkämpferischen Kollten wissen.
Es ist klarer geworden, dass der Vorstand die Taktik fahren will, die Belegschaft hinzuhalten aus Angst vor einem neuen Kampf. Gleichzeitig ist sich die Belegschaft auch einig darüber, dass nicht verzichtet wird und erst recht keine Werksschließung hingenommen wird. Was bisher noch öfter gelang, die Versammlung ein Stück weit zu gewinnen für den Konkurrenzkampf, hat diesmal sichtlich weniger gewirkt. Die Fronten sind deutlicher geworden.
GM steht steht sichtlich unter Druck und will eine schnelle Lösung. Der Vorstand hielt einen kurzen Bericht und Kimmes meinte unter anderem, er sei froh, dass am Mittwoch bei der Aufsichtsrats-Sitzung nichts bekannt gegeben wurde. Dem folgte ein allgemeines Blabla, Bochum hätte eine Chance als Standort, man müsse "runter von den Kosten" usw.
Der Betriebsratsvorsitzende Einenkel stellte den Kampf gegen Werkschließungen in den Mittelpunkt. Erpressung und Ausspielerei würden sie nicht mitmachen. Er betonte den Rückhalt der Bevölkerung und Politik und der Medien, gegen den GM keine Chance hätte. Er endete dann sehr vage mit der "Möglichkeit weiterer Schritte".
Arbeitsminister Guntram Schneider bekam großen Beifall, als er den 14. Juli ansprach (das ist der 50. Jahrestag von Opel Bochum) und in Verbindung damit brachte, dass dies auch der Tag des "Sturms auf die Bastille" war, der bekanntlich die französische Revolution auslöste. Der Rest seiner Rede unterschied sich nicht von den bekannten Inhalte in der Presse.
Eine breite Diskussion wurde unterlaufen, indem erst spät die Aussprache begann. Als die Saalmikrofone frei waren, wurden auch die Tore geöffnet. Am Anfang haben immerhin noch etwa 300 Kollegen zugehört und am Schluss waren nur noch rund 50 da. Nur zehn Redner kamen zu Wort. Mehrere kritisierten den Ablauf der Versammlung, weil die Aussprache so spät begann. Zwei forderten eine "bessere Unternehmenspolitik".
Ein Kantholz wurde geschwungen und der Zusammenhang zum Bergbau und der gemeinsame Kampf für Arbeitsplätze - "ob über oder unter Tage" - betont. Deutliche Worte wurden noch zu vielen Themen angesprochen: GM hat hat sichtlich Angst vor der Belegschaft, das unterstreicht, den entschlossenen Kampf um jeden Arbeitsplatz jetzt zu führen. Es muss Schluss sein mit Geheimverhandlungen!
Die Unternehmenspolitik von Opel wurde als Ausdruck der Abwälzung der Krisenlasten in der Weltwirtschaftskrise und der gnadenlosen Konkurrenz aller Konzerne nachgewiesen. "Krisen gehören zum Kapitalismus" und deshalb dürfen sich die Arbeiter nicht spalten lassen. Die Kollegen vom Gleiwitzer Opel-Werk in Polen haben die selben Interessen. Der Automobilarbeiterratschlag als eine wichtige Plattform für den internationalen Kampf aller Autobauer wurde vorgestellt. Dann wurde abgebrochen, obwohl sich noch Kollegen hinter den Saal-Mikros angestellt hatten.