Betrieb und Gewerkschaft
Schlecker-Frauen - gestern eiskalt abserviert und heute 11.000 Entlassungsbriefe
30.03.12 - Bis gestern bangten die verbliebenen rund 11.000 Beschäftigten von Schlecker, in der überwiegenden Mehrheit Frauen, um ihre Arbeitsplätze. Eine trügerische Hoffnung, zumal auch die "Hilfe" durch eine Bürgschaft der bayrischen Landesregierung für die Einrichtung von Transfergesellschaften keine wirkliche Lösung wäre. Auf die Nachricht, dass diese sich unter maßgeblichem Betreiben des bayerischen FDP-Wirtschaftsministers Martin Zeil ganz verweigert hatte, fühlten sich viele, als wäre ihnen der Teppich unter den Füßen weggezogen.
Heute liegen die Entlassungsschreiben in ihren Briefkästen. Einige verbunden mit sofortiger Freistellung, andere wissen gar nicht, ob sie am Montag noch zur Arbeit kommen müssen. Und diejenigen unter den langjährig Beschäftigten, deren Kündigung zum 30. Juni ausgesprochen wurde, wissen ebenfalls nicht, ob der Insolvenzverwalter ihnen überhaupt den Lohn zahlen wird. Es handelt sich um eine der größten Massenentlassungen in der Geschichte der BRD.
Es ist eine Frechheit, wenn ausgerechnet FDP-Bundeswirtschaftminister Philipp Rösler in trauter Einheit mit dem Einzelhandelsverband den Frauen nun "viele freien Stellen" verspricht. Erstens sind das nicht "viele", da die ganze Branche vor dem Hintergrund des drohenden Einbruchs in der Weltproduktion und im Welthandel in einem brutalen Konkurrenzkampf um die Märkte steht und deshalb in allen Einzelhandelsketten Arbeitsplätze vernichtet werden. Zweitens, wird es sich "hauptsächlich nicht um Vollzeitstellen, sondern um Teilzeit zu Dumpinglöhnen, Minijobs und 400-Euro-Angebote" handeln, wie heute der Sprecher des NRW-Landesverbandes von Verdi, Günter Isemeyer, erklärte. Zu den Folgen meint er: "Das setzt die ohnehin geringen Löhne im Einzelhandel weiter unter Druck, gefährdet die Einkommen und produziert Altersarmut."
Das Hoffen auf Staatshilfe ist kein Ausweg und die Beschäftigungsgesellschaften erweisen sich als Sackgasse. Die Erfahrung haben schon viele Belegschaften machen müssen, wie schon bei Holzmann, AEG, Nokia, Karstadt usw., denen vollmundige Versprechen auf "Beschäftigungsgesellschaften" und/oder die "Suche nach Investoren" gemacht wurden. In einer Beschäftigungsgesellschaft wird man nur zwischengeparkt.
Schon der Begriff ist eine Lüge, denn man wird dort nicht beschäftigt. Das Angebot, dort für einen "Neustart ins Berufsleben qualifiziert zu werden", erweist sich in Wahrheit als Falle. Oft reduziert sich das auf Kurse, wie man Bewerbungen schreibt. Damit verschwindet man erst mal aus der Arbeitslosenstatistik, um anschließend entweder in Hartz IV zu landen oder zur Annahme von Niedriglöhnen und unwürdigen Arbeitsbedingungen erpresst zu werden.
Wenn CSU und CDU nun mit dem Finger auf die FDP zeigen, dann lenken sie nur von ihrer eigenen Rolle ab. Viele Schlecker-Frauen haben ihre Empörung gegen die CDU-Regierung deutlich gemacht: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die sich sonst über ihr gesellschaftliches Engagement für die angebliche "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" brüstet, hat es nicht ein einziges Mal für nötig befunden, zu den streikenden Schlecker-Frauen persönlich zu kommen.
Dass selbst die bisher übliche notdürftige Verschleierung einer offenen Massenentlassung fallen gelassen wird, signalisiert, dass gegenüber den Schlecker-Frauen ein erstes Exempel statuiert werden soll, dass die Regierung von ihrem Kurs der Dämpfung der Klassenwidersprüche in der Weltwirtschafts- und -finanzkrise zu einem harten Kurs der rigorosen Abwälzung der Krisenlasten übergehen will. So lauten bürgerliche Kommentaren heute in der Richtung, dass man nicht heute bei Schlecker anders verfahren könne als morgen bei Opel und anderen Unternehmen.
Die Schlecker-Frauen standen und sie stehen nicht allein. Ihr Streikaktionen waren der richtige Weg! In Gelsenkirchen sammelte der bundesweite überparteiliche Frauenverband Courage in der Innenstadt binnen einer Stunde über 460 Unterschrifen für eine Solidaritätsaktion von Verdi. Vorgestern marschierten rund 60 Schlecker-Beschäftigte aus Deutschland in Ulm in einem spontanen Protestmarsch "über die Donaubrücke ans andere Ufer nach Bayern" und luden vor einem Parteibüro der FDP ihren ganzen Zorn ab.
Das Schicksal der Schlecker-Frauen ist ein eindrückliches Argument für den Weg der Arbeiteroffensive und den aktiven Volkswiderstand und das muss auch ein beherrschendes Thema auf den Montagsdemonstrationen sein.