Umwelt

Japan: Letztes Atomkraftwerk wird abgeschaltet

05.05.12 - Heute wurde in Japan begonnen, das letzte noch in Betrieb befindliche Atomkraftwerk Tomari auf der nördlichsten Hauptinsel Hokkaido herunter zu fahren. Es soll für fünf Monate zu Wartungszwecken abgeschaltet bleiben. Erstmals seit mehr als 40 Jahren wird das drittgrößte Industrieland Japan ab diesem Wochenende ohne Atomstrom auskommen - und damit unfreiwillig beweisen, dass dies entgegen jahrzehntelanger Propaganda ohne nennenswerte Probleme möglich ist. Auch wenn noch kein Regierungsbeschluss zur Stilllegung aller Atomanlagen erzwungen werden konnte, zeigt dies doch die tiefe Defensive der Herrschenden in der Frage der Atomkraft seit der Katastrophe von Fukushima vom 11. März 2011.

Vor der dreifachen Kernschmelze in Fukushima hatte Japan rund 30 Prozent seines Stromverbrauchs mit zuletzt 54 Atomkraftwerken abgedeckt. Und es gab Pläne, diesen Anteil durch den Bau weiterer AKW bis 2030 auf mehr als 50 Prozent anzuheben. Zahlreiche Reaktoren wurden seit der Atomkatastrophe wegen "Wartungsarbeiten" heruntergefahren. Ans Netz kommen die Anlagen erst wieder, wenn die regionalen Regierungen zustimmen. Die stehen jedoch unter erheblichem Druck der wachsenden Anti-AKW-Bewegung und der Stimmung in der Bevölkerung, die die endgültige Stilllegung der AKW inzwischen zu 70 bis 80 Prozent befürwortet.

Die japanischen Übermonopole kritisieren die Regierung, weil sie es bisher nicht geschafft hat, auch nur eines der abgeschalteten AKWs gegen den Willen der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung wieder ans Netz zu nehmen. Auch die Regierung warnt nun vor "ernsthaften Versorgungsengpässen" insbesondere bei einem heißen Sommer, weil dann in Japan viele Klimaanlagen angeworfen werden. Doch auch zum Winterbeginn, der ebenfalls einen hohen Energiebedarf erfordert, waren nur noch sechs der 54 AKW in Betrieb und ab Januar lief nur noch ein einziges AKW, ohne dass es zu irgendwelchen Versorgungsengpässen gekommen wäre.

Am 17. April traten 30 Mitglieder einer Gruppe von Atomkraftgegnern in Tokio vor dem Gebäude des Industrieministeriums in einen öffentlichen Hungerstreik, unterstützt von weiteren 100 Aktivisten. Sie wollten ihn bis zum heutigen 5. Mai fortsetzen. Die Gruppe hatte bereits seit September vergangenen Jahres in Zelten unweit des Ministeriums campiert und die Regierung zur vollständigen Stilllegung aller AKW aufgefordert. Auch an vielen Standorten von offiziell wegen "Wartungsarbeiten" ausgeschalteten Atomkraftwerken entwickeln sich regionale Widerstandsbewegungen, die sich für die endgültige Stilllegung einsetzen.

Die faktische Abschaltung aller AKW ist eine günstige Bedingung, die Regierung mit einer wachsenden Massenbewegung dazu zu zwingen. Das wäre eine weitere große Ermutigung für den weltweiten Kampf zur Stilllegung aller Atomanlagen. Dafür setzen sich auch die ICOR und ILPS mit ihrem "Manifest zum Gedenken an das Desaster von Fukushima und zur Forderung nach der Beendigung der Nutzung von Atomenergie" ein, für das gegenwärtig in vielen Ländern der Welt Unterschriften gesammelt werden.

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