International
7. Internationaler Automobilarbeiterratschlag bereitet Delegation der streikenden griechischen Stahlbelegschaft begeisterten Empfang
19.01.12 – Heute gab es in München eine riesige Überraschung: an ihrem 201. Streiktag konnte der 7. Internationale Automobilarbeiterratschlag begeistert die Delegation der kämpfenden Belegschaft des Stahlwerks von Aspropirgos bei Athen in seinen Reihen willkommen heißen. Ihrem Einzug in die Aula des Berufsschulzentrums folgte eine tief ergreifende halbe Stunde der gelebten Arbeitereinheit und des proletarischen Internationalismus - einer dieser Momente, der die „Kraft zum guten Träumen“ gibt, dass die einige internationale Arbeiterklasse ein besseres Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung erstreitet.
Letzte Woche musste die geplante Solidaritäts-Rundreise der griechischen Kolleginnen und Kollegen zunächst abgesagt werden: jeder und jede wurde in Aspropirgos gebraucht, damit die kämpfende Belegschaft mit den Attacken durch Streikbrecher, Staatsapparat und Spaltungsversuchen fertig werden konnte. Das haben sie geschafft, und heute konnten Sofia Roditi, Sprecherin der griechischen Stahlarbeiterfrauen, und Panagiotis Katsaros, Gewerkschaftssekretär, nach Deutschland kommen und – begleitet von Jordanis aus Gelsenkirchen - dem Welttreffen der internationalen Automobilarbeiter von ihrem Kampf berichten. Vorher noch übergab ein Genosse von Ssangyong aus Süd-Korea den griechischen Freunden die roten Stirnbänder des Kampfes: eine Geste mit großer Symbolkraft. Im Jahr 2009 hatte beim fünftgrößten Automobilhersteller Südkoreas einer der erbittertsten Arbeiterkämpfe der letzten Jahre stattgefunden, der erst mit brutaler Gewalt des Staatsapparats beendet wurde - rf-news berichtete damals.
Einer der Kämpfer von Ssangyoung ist beim 7. Internationalen Automobilarbeiterratschlag anwesend und hat dafür gesorgt, dass heute auf einer großen Gedenkdemonstration in Seoul für die an den Folgen des Militäreinsatzes gestorbenen Arbeiter eine Solidaritätserklärung des 7. IAAR verlesen wird. Mit der Übergabe des Stirnbands werden in Südkorea diejenigen geehrt, die wirklich kämpfen. Die Delegetation aus Aspropirgos nahm auf dem Automobilarbeiterratschlag die Ehrung für ihre unbeugsamen Kolleginnen und Kollegen entgegen.
„Bis vor sieben Monaten war ich eine einfache Hausfrau zuhause. Und heute bin ich die Sprecherin der streikenden Stahlarbeiterfrauen!“ Begeisterter Applaus für Sofia! „Es ist eine große Ehre für uns, dass wir die Stirnbänder von den koreanischen Genossen bekommen haben. Vor sieben Monaten machte die Konzernführung uns ein Angebot, das bedeutet hätte, dass wir von dem Einkommen meines Mannes nicht mehr hätten leben können und all die anderen Familien von ihren Einkünften auch nicht. Als mein Mann nachhause kam und sagte: das ist Erpressung, wir werden streiken – da schossen mir Gedanken durch den Kopf, wie sollen wir das durchstehen, eine einfache Arbeiterfamilie. Von Anfang an strömte eine unsagbare Solidarität zu unserem Streik, nicht nur aus Griechenland, sondern aus der ganzen Welt. Dank dieser Solidarität haben wir noch immer Brot zu essen. Wir standen von Anfang an zu unseren Männern. Wir sind selbst Teil der Arbeiterklasse und wir werden kämpfen bis zum Sieg.“
Panagiotis berichtet: „Seit 202 Tagen streiken wir und unser Kampf ist noch so fest wie am Anfang. Ich überbringe euch die herzlichen Grüße aller Stahlarbeiter, die gerade vor dem Tor stehen und Wache schieben. Wir kämpfen gegen die Konzernherrn und gegen die griechische Regierung und gegen die Troika. Aber auch gegen Widerstand innerhalb der Gewerkschaftsführung. Wir sind mit den Streikbrechern fertig geworden, wir sind uns so einig wie am ersten Tag. Wir werden unseren Kampf fortsetzen, bis wir die Kapitalistenklasse besiegt haben. Unser Kampf ist bedeutend nicht nur für Griechenland, sondern für die ganze internationale Arbeiterklasse.“
"Wir unterstützen alle den Kampf der griechischen Arbeiter" sagte der Genosse aus Südkorea. "Wir haben auch gekämpft. 77 Tage hatten wir die Fabrik besetzt gehalten. Sie haben uns das Wasser weggenommen, das Essen. Wir hatten die Unterstützung unserer Familien. Wir haben viel Solidarität erhalten aus ganz Korea. Die Solidarität ist der Weg, das Blut, die der Arbeiterklasse zum Sieg verhelfen. Wir in Korea unterstützen voll euren Streik in Griechenland und werden alles tun, damit ihr auch siegt. Wir sind nicht allein. Wir müssen zusammenkommen, auch wenn es dunkel ist, wenn wir Angst haben, Panik – wir müssen diese Panik in unseren Herzen zerstören, dann können wir siegen und den Sieg sichern. Vielen Dank!“
Die griechischen Kollegen nutzen den Nachmittag in München zu einem intensiven Erfahrungsaustausch mit den anwesenden Industriearbeitern und –arbeiterinnen aus aller Welt.
Mit einem großen Solidaritäts- und Zusammengehörigkeitsgefühl ging es auf dem 7. Internationalen Automobilarbeiterratschlag weiter mit den konzernbezogenen Foren: GM - Opel - PSA; Daimler - Renault - Nissan; VW-Produktionsverbund; BMW; Ford; Fiat - Chrysler und Bosch. In diesen Foren wurden die neuen Entwicklungen beraten und der Zusammenschluss auf der Basis z.T. schon bestehender Solidaritätschartas und den Erfahrungen damit weiter gefestigt.
Im GM-Forum z.B. wurde beraten, dass sich keine Belegschaft an den erpresserischen Abstimmungen beteiligen darf, mit denen der eine gegen den anderen Standort ausgespielt wird. „Die GM-Bosse hatten das garantiert nicht angestrebt, dass ihre Schließungspläne, Betrugsversuche und heimtückischen Attacken jetzt auf diesem Automobilarbeiterratschlag sozusagen in ihr Gegenteil verwandelt werden und wir jetzt noch mehr im Geiste einer GM-Weltbelegschaft international agieren."
Ganz aktuell erklärte das GM-Konzernforum den Widerstand gegen die geplanten Werksschließungen von Bochum, Aulnay und Madrid zum gemeinsamen Kampf. Die außerordentliche Betriebsversammlung bei Opel Bochum am Montag wird in diesem Geiste durchgeführt werden. Das Forum aktualisierte die Solidaritätscharta u.a. um den Kampf zum Schutz der natürlichen Umwelt: „Es ist doch pervers, dass von Überkapazitäten an Menschen und Produktionsstätten gesprochen wird, während die Menschen nach umweltverträglichen Produkten und einer Kreislaufwirtschaft dürsten. Dafür würden wir gerne unsere Arbeitskraft und unsere Flexibilität einsetzen.“ Die Kollegen aus Polen, Frankreich und Spanien schlossen sich neu der Solidaritätscharta an: "Wir unterschreiben diese Charta mit Händen und Füßen!"
Vor dem Empfang der griechischen Delegation hatte der 7. Internationale Automobilarbeiterratschlag gespannt die Berichte aus den themenbezogenen Foren vom Vortag gehört, die den Bogen spannten von der Leiharbeit über die internationale Zusammenarbeit an der Gewerkschaftsbasis bis zur Gemeinsamkeit von Arbeiter- und Frauenbewegung. Im Zentrum stand auch hier die Beratung, welche Schritte für die verbindlichere Koordinierung der internationalen Automobilarbeiter notwendig sind. Der hierzu von der Koordinierungsgruppe vorgelegte Resolutionsvorschlag wird am morgigen Sonntag beraten und zur Beschlussfassung vorgelegt. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten den Vorschlag rechtzeitig bekommen; bis heute um 15 Uhr konnten Änderungsvorschläge eingereicht werden.
Aktuell gibt es verschiedene Workshops, einen Stadtrundgang in München und die Vorbereitungen für das rauschende internationale Solidaritäts- und Kulturfest heute abend - das dann für alle Fußballfans in rauschendes Champions-Leage-Final-Fest übergeht.
Berichte über die themen- und konzernbezogenen Foren und eine Auswahl aus den vielen Fotos in der nächsten Printausgabe der Roten Fahne. Nicht vergessen: rechtzeitig ausreichend viele Exemplare bestellen.
rf-news wird am morgigen Sonntag über den Abschluss des 7. Internationalen Automobilarbeiterratschlags berichten.