Betrieb und Gewerkschaft
Metalltarifrunde: Was beinhalten die Verhandlungsergebnisse wirklich?
19.05.12 - In der Nacht zum 19. Mai einigten sich nach 37 Stunden Verhandlungen im Bezirk Baden-Württemberg die Vertreter der IG Metall und der Metallarbeitgeberverband auf ein Ergebnis. Bei der Lohnhöhe mussten die Metallkapitalisten Zugeständnisse machen. Bei den zu Beginn der Tarifrunde von Gesamtmetall zum Tabu erklärten Forderungen nach Übernahme der Auszubildenden und zur Leiharbeit bleiben die Regelungen im Tarifvertrag weit hinter den Forderungen der IG Metall zurück.
Der IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber und der Chef von Gesamtmetall waren während der Verhandlungen vor Ort, und haben das Ergebnis allen Tarifbezirken zur Übernahme empfohlen. Bevor jedoch irgendeine Tarifkommission den Ergebnissen zustimmt, müssen die Mitglieder gründlich informiert und ihnen Zeit gegeben werden, sich an der Basis zu beraten und sich ein eigenes Urteil zu bilden!
Nach den bisher vorliegenden Veröffentlichungen der IG Metall hat das Verhandlungsergebnis folgende Bestandteile:
- Die Löhne und Gehälter sollen vom 1.5.2012 an bis zum 30.4.2013 um 4,3 Prozent erhöht werden. Da der alte Tarifvertrag am 30.3. auslief, hat der neue Vertrag eine Laufzeit von 13 Monaten. Auf zwölf Monate umgerechnet sind dies etwas mehr als 3,9 Prozent. Das Ergebnis liegt damit einiges über den bisherigen Tarifabschlüssen in 2012. Es kommt sicher den Erwartungen vieler Kolleginnen und Kollegen auf "kräftige Lohnerhöhungen" entgegen, ist aber kein Ausgleich für die Verluste der vergangenen Jahre und der zu erwartenden Preissteigerungen. Über die Erhöhung der Ausbildungsvergütung liegen noch keine Informationen vor.
- Mit der Zusage einer unbefristeten Übernahme aller Ausgebildeten, die nach dem 31.12.2012 ihre Prüfung bestehen, musste Gesamtmetall sein Tabu aufgeben, womit sie auf die gewachsene Kampfeinheit von jung und alt reagieren. Dieses wird jedoch im Tarifvertrag wieder in Frage gestellt, wenn die Auszubildenden nur "im Grundsatz" übernommen werden sollen. Eine Übernahme erfolgt nicht, wenn die Unternehmer so genannte "personenbezogene Gründe" finden, oder "akute Beschäftigungsprobleme" für einen Betrieb "feststellen"
"Einvernehmliche Regelungen" über den "Bedarf" an Ausbildungsplätzen können durch Betriebsvereinbarungen getroffen werden. Gibt es keine Betriebsvereinbarung über den Bedarf, müssen Betriebsrat und Geschäftführung mindestens 6 Monate vor Ende der Ausbildung den absehbaren Bedarf ermitteln. Ausgebildete, die "über Bedarf" ausgebildet wurden, müssen mindestens 12 Monate beschäftigt werden, drei Monate vor Ende muss die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung geprüft werden.
Gesamtmetall legt das so aus: "Entscheidend für die Übernahme-Vereinbarung sei, dass der Arbeitgeber seinen Bedarf selbst festlegen könne und dadurch auch bestimme, wie viele Jugendliche nach der Ausbildung unbefristet übernehmen werden. 'Die unbefristete Übernahme ist wie bisher auch der betriebliche Normalfall". Für welche und wie viele Ausgebildete sie gilt, bestimmt allein der Arbeitgeber". (Homepage Gesamtmetall)
Die unbefristete Übernahme der Ausgebildeten "im Grundsatz" ist ein Erfolg der Tarifrunde und des gemeinsamen Einsatzes von jung und alt. Über die Frage des "Bedarfs" gibt es grundsätzlich gegensätzliche Interessen zwischen den Arbeitern und Unternehmern. Deshalb wird es um diese Frage eine ständige Auseinandersetzung in den Betrieben geben, wobei es entscheidend auf die Kampfeinheit von Jung und Alt ankommt, wie diese Auseinandersetzung ausgeht.
3. Zur Leiharbeit soll ein Rahmen-Tarifvertrag abgeschlossen werden.
In der Frage der Leiharbeit wurden verschiedene Zugeständnisse gemacht. Der angebliche Grundsatz, dass Leiharbeit nur zum Einsatz kommt, "wenn dadurch die Entgelt- und Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze im Entleihbetrieb nicht bedroht sind", wird durch die Vereinbarung nicht gewährleistet, die Forderung nach gleicher Entlohnung aufgegeben.
Vereinbart wurde, dass Leiharbeiter nach 2 Jahren fest übernommen werden müssen. Allerdings ist die Mehrheit der Leiharbeiter in der Metall- und Elektroindustrie weniger als 12 Monate im Entleiherbetrieb beschäftigt.
Laut Tarifvereinbarung sind die Bedingungen für einen Einsatz: zeitliche Befristung, Vorliegen eines Sachgrundes oder Auftragsspitzen. Der Betriebsrat muss dem Einsatz der Leiharbeit zustimmen. Der Unternehmer muss mit dem Betriebsrat verhandeln, wenn dieser den Einsatz von Leiharbeit und die "Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität" regeln will.
Wurde eine Betriebsvereinbarung geschlossen, kann im Gegenzug das Unternehmen die Quote der Beschäftigten mit 40 Stunden-Verträgen von jetzt 18 Prozent um 12 Prozent auf dann 30 Prozent erhöhen! Im selben Umfang müssen "Vollzeitarbeitsverträge" mit 30 Stunden "zur Verfügung gestellt" werden. Die Regelungen für den Einsatz der Leiharbeit in den Betrieben sind also an die Zustimmung zu einer Ausweitung der Flexibilisierung der Arbeitszeit der Stammbelegschaft gebunden, und führen in der Konsequenz zu einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit.
Mit dem Verhandlungsergebnis zur Leiharbeit sind bestimmte Auswüchse wie über Jahre andauernde Beschäftigung eines Leiharbeiters begrenzt worden. Die Auseinandersetzung um die Leiharbeit wird mit der Vereinbarung auf die betriebliche Ebene gezogen, statt auf die Kampfkraft der Arbeiterklasse, soll das Verhandlungsgeschick von Betriebsräten die Probleme mit der Leiharbeit regeln. Gesamtmetall erklärt, dass "mit diesem Gesamtpaket die Debatte über Zeitarbeit endgültig befriedet sein" (müsse). Allerdings sind die wichtigsten Fragen noch nicht geregelt.
Die Zugeständnisse von Gesamtmetall sind nur durch die hohe Kampfbereitschaft der Metallerinnen und Metaller zu erklären. Die Forderungen waren fest an der Basis verankert. Schon vor Ende der Friedenspflicht kam es vor allem auf Initiative der Basis zu ersten Warnstreiks und Demonstrationen, oft zusammen mit Kolleginnen und Kollegen von ver.di. Die 800 000 Metallerinnen und Metaller, die sich bundesweit an Warnstreiks beteiligt haben, spiegeln den Stimmungsumschwung vor allem im Industrieproletariat wider.
Konzerne und die Regierung wollten unter allen Umständen einen Streik der über 3 Millionen Metallerinnen und Metaller aus wirtschaftlichen, vor allem aber aus politischen Gründen (Regierungskrise in Berlin) verhindern.
Auf die Warnstreiks gab es bereits Zugeständnisse. Ein unbefristeter Streik würde eine ganz andere Situation schaffen. Nun sind die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben herausgefordert, das Tarifergebnis gründlich zu beraten, über den vollen Einsatz der gewerkschaftlichen Kampfkraft zu diskutieren und den Kampf weiter zu führen.