Umwelt

In welche Richtung soll die "Energiewende" gehen?

24.05.12 - Gestern, am 23.05.12,  fand ein kurzfristig von Angela Merkel einberufener "Energie-Gipfel" im Kanzleramt statt. Er sollte einen "neuen Anlauf zur Beschleunigung der Energiewende" starten und wurde von der Kanzlerin gleich zum "Meilenstein" erklärt. Über das Ergebnis schreibt ironisch die "Frankfurter Rundschau" von heute: "Einen halben Tag lang kreißten 16 Länderchefs, zwei Bundesminister und eine Kanzlerin umeinander - und gebaren: Optimismus." Menschen, die sich um die Zukunft unserer Lebensgrundlagen angesichts Klimakatastrophe und atomarer Bedrohung sorgen, sind der Meinung, dass Schutzmaßnahmen zur Rettung der Umwelt beschleunigt werden müssen. Die kämpferische Umweltbewegung fordert eine zügige Umstellung der Energieerzeugung auf 100 Prozent erneuerbare Energien. Was aber die Regierung wirklich beschleunigen will, ist der Abbau von bestimmten Zugeständnissen, die die Umweltbewegung seit Fukushima erkämpft hat.

Der Bundesverband der Monopole (BDI) hat am 8. März 2012 in seiner "Erklärung zu einem Jahr Energiewende" die Regierung gerügt, dass "deutlich mehr passieren müsse":  Es käme darauf an, "den Ausbau von erneuerbaren Energien, Kraftwerken und Netzen sowie Energieforschung und -effizienz besser miteinander zu verzahnen."  Verzahnung hört sich gut an. Was aber verzahnt werden soll, ist u.a. der  Neubau von 60 großen Kohle- und Gaskraftwerken mit dem Ausbau von großtechnischen Anlagen der erneuerbaren Energien, wie der Offshore-Windtechnik.  Dagegen werden dezentrale Anlagen der Solarindustrie ausgebremst auf Kosten der Mittel- und Handwerkbetriebe, und vor allem der Arbeitsplätze in diesen Industrien. Um die Monopolstellung der Konzerne auszubauen, sollen neue Stromnetztrassen von rund 4.000 Kilometer gebaut werden. Bezahlen sollen das die Massen über Strompreise und Steuern.

Welchen Druck die Energiekonzerne hinter ihr Konzept setzen, zeigt ihre Drohung, laufende Gaskraftwerke stillzulegen. Damit wollen sie den von ihnen bei der Stilllegung der acht AKWs in Deutschland beschworenen "Blackout" der Stromversorgung selbst herbei manipulieren. Die erneuerbaren Energien hatten im Jahr 2011 erstmals einen Anteil von 20% an der elektrischen Energie. Es zeichnet sich ab, dass bei dem bisherigen Entwicklungstempo die Prognosen von einem Anteil der erneuerbaren Energien für 2020 von 47% deutlich verfehlt werden.

Da es gestern in Berlin zu keinem Ergebnis kam, konnte Merkel das Bild einer Einmütigkeit zur Schau stellen: vom grünen Ministerpräsidenten Kretschmann über Hannelore Kraft (SPD) bis hin zu ihr und ihrem Kabinett, vertreten von Rösler (FDP) und Altmaier (CDU). In Wahrheit existiert ein Minenfeld von Streitpunkten: Während die CSU in Bayern den Neubau von Gas- und Kohlekraftwerken im Süden forcieren will, wollen die Landesregierungen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein vor allem den Ausbau von Windrädern auf hoher See vorantreiben. Und die ostdeutschen Landesregierungen, bei denen überwiegend die deutsche Solarindustrie angesiedelt ist, fürchten den wachsenden Widerstand gegen deren Liquidierung. 

Über den weiteren Kurs der "Energiewende" war es zwischen Wirtschaftsminister Rösler als "Scharfmacher" und Ex-Umweltminister Röttgen als "Weichspüler" zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Die Entlassung von Röttgen und die Ernennung des neuen Umweltministers Altmaier signalisiert daher, dass nun auf Drängen der Energie-Konzerne eine schärfere Gangart eingeschlagen werden soll. Merkel hat nicht zufällig die "Energiewende" zur Chefsache erklärt. Die Energiepolitik kann die latente politische Krise schnell in eine offene umschlagen lassen. 

Dagegen kann die Umweltbewegung nur den Weg gehen: "Der Kampf zur Rettung der natürlichen Umwelt muss sich heute gegen die kapitalistische Produktionsweise und die Alleinherrschaft des internationalen Finanzkapitals richten und unter Führung der Arbeiterklasse zu einer internationalen Widerstandsfront entwickeln." ("Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution", Seite 373)