Umwelt

Envio: Ein Sumpf von Lügen, Korruption und Vertuschung von Umweltverbrechen

22.05.12 - Seit dem 9. Mai findet vor dem Landgericht Dortmund der "Envio-Prozess" statt, ein Prozess zu einem der größten deutschen Umweltskandale. Angeklagt sind der ehemalige Geschäftsführer Dirk Neupert und drei weitere Manager des zwischenzeitlich bankrotten "Entsorgungsunternehmens" Envio wegen Körperverletzung an 51 Arbeitern. Es wird mit einem Mammutprozess gerechnet, 15 Verhandlungstage bis August wurden festgesetzt. 22 ehemalige Envio-Arbeiter haben sich einer Sammelklage angeschlossen, die von der Gewerkschaft finanziert wird. Die Staatsanwaltschaft hat 193 Zeugen benannt. Der Envio-Skandal eröffnet den Blick auf einen Sumpf aus Korruption, Lügen und Vertuschung.

Envio hatte sich auf die Entsorgung von Transformatoren und anderen Bauteilen, die das Ultragift PCB (Polychlorierte Biphenyle) enthalten, spezialisiert. Da PCB in Deutschland seit 1989 verboten ist, bot Envio seine "Dienste" international an und "entsorgte" giftige Schrottteile aus aller Welt im Dortmunder Hafengebiet für Maximalprofit. Ohne Schutzanzüge und Atemmasken mussten die Arbeiter die Teile auseinander nehmen, grundlegende Arbeitsschutzbestimmungen wurden ignoriert.

Den Kollegen wurde vorgelogen, ihre Arbeit wäre harmlos. Viele der Leiharbeiter wuschen ihre Arbeitskleidung zuhause, wodurch auch Ehefrauen und Kinder massiv belastet wurden. Die für die Kontrolle zuständige Bezirksregierung in Arnsberg drückte in einem Komplott mit Envio beide Augen zu und ist mitverantwortlich für die PCB-Vergiftung nicht nur der Arbeiter und ihrer Familien, sondern auch für die großflächige Umweltvergiftung der Dortmunder Nordstadt. Auch die für die Umwelt- und Gewerbeaufsicht zuständige Bezirksregierung in Arnsberg gehört mit auf die Anklagebank! 

Mit einem offenen Brief vom 9. Mai 2012 wenden sich Dortmunder Ärztinnen und Ärzte an die zuständigen Minister von Nordrhein-Westfalen. Darin heißt es: "Die ersten Daten des medizinischen Nachsorgeprogramms für ENVIO-Beschäftigte liefern ein erschütterndes Ergebnis. Von 272 untersuchten Arbeitern wurde nur ein Jahr nach Schließung der Anlage bereits bei 6 Personen eine Krebserkrankung neu diagnostiziert und bei weiteren 40 schwere PCP-bezogene Umwelterkrankungen. Eine Person hat sogar 25.000-fach erhöhte PCB-Werte."

Während die Angeklagten vor Gericht bisher schwiegen und sich für "unschuldig" erklärten, sorgte der Anwalt des Envio-Geschäftsführers Neupert, Ralf Neuhaus, mit einer unverschämten Provokation für den ersten Eklat: Die auffälligen Blutwerte der Mitarbeiter seien nicht auf Fehler im Betriebsablauf bei Envio, sondern auf "ungesunde Lebensstilfaktoren dieser Mitarbeiter" zurückzuführen. Über das Ausmaß und Ursachen toxischer Substanzen in der Umwelt heißt es in dem Buch "Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution" auf S. 197 unter anderem:

"Die Umweltzerstörung trifft die Menschen über alle Regionen oder Länder hinweg. (... ) Chemische Ursachen haben Vergiftungen und viele der bedrohlich zunehmenden Allergien. Mehr als 150.000 künstliche toxische Substanzen, so wird geschätzt, bringt die kapitalistische Produktion inzwischen in die Biosphäre ein, manche davon in großen Mengen. Sie stammen aus Kunststoffen und aus der Müllverbrennung. Viele dieser Gifte wirken schädlich auf biologische Prozesse ein, ohne sich dabei zu verbrauchen; sie reichern sich in der Biosphäre an." 

Auf dem "2. Umweltratschlag" im Oktober 2011 fand ein Forum zur Vergiftung von Arbeitern und Anwohnern statt an den Beispielen der Daimler-Gießerei in Mettingen und von Envio. Auf dem 7. Internationalen Automobilarbeiter-Ratschlag in München spielte die Gesundheits- und Umweltbelastung in der Produktion ebenfalls eine große Rolle. Es zeigt sich die Notwendigkeit einer Umweltgewerkschaft, die überall dort, wo Umweltverbrechen begangen werden, die Menschen für den gemeinsamen Umweltkampf organisiert.

(Siehe auch: www.pcb-skandal.de)