Betrieb und Gewerkschaft
Opel Bochum: Kämpferische Stimmung - Große Solidarität - Betriebsversammlung unterbrochen
Bochum (Korrespondenz), 21.05.12: Die außerordentliche Betriebsversammlung war letzte Woche groß als "öffentlich" angekündigt. Das sah dann heute Morgen ganz anders aus: Schwarze Vorhänge wurden aufgehängt, dass nichts nach außen dringen sollte. Normalerweise ist die Schranke offen, der Zaun wurde zugemacht, es waren private Sicherheitskräfte da. Das deutete offensichtlich auf Angst und Panik bei der Opel-Geschäftsleitung hin. Hochgespannte Erwartungen, wie sich ihr erster Mann Karl-Friedrich Stracke vorstellt. Letzte Woche verkündete er, fast die gesamte Produktion des Astra von Rüsselsheim nach Ellesmere Port (England) und Gliwice (Polen) zu verlagern. Im Gegenzug soll die ganze Zafira-Produktion aus Bochum nach Rüsselsheim gehen.
Heute behauptet er nun in Angesicht der Kolleginnen und Kollegen auf der Bochumer Betriebsversammlung, sie hätten noch kein Konzept. Das würde erst bei einer Aufsichtsratssitzung am 28. Juni unterschrieben. Da gingen die Tassen hoch - Buhrufe, Pfiffe, Gelächter. Etwas unsicher reagierten viele Kollegen auf die Ministerpräsidentin von NRW, Hannelore Kraft. Sie kündigte an, dass sich die Bundesländer nicht gegeneinander ausspielen lassen wollen. Wobei sie insgesamt vage blieb, was sie vorschlägt. Dafür bekamen zwei Kollegen aus Eisenach und aus Rüsselsheim riesigen Beifall, als sie sich für die Kampfeinheit aller Opel-Belegschaften aussprachen.
Stracke versuchte vergeblich, sich als Freund der Bochumer Opelaner hinzustellen, der alles versuche, ihre Arbeitsplätze zu retten. Die Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann brachte Stracke weiter in die Defensive als sie unter anderem die Ausbeutungsoffensive angriff und ihm vorwarf, dass er für "krankmachende Verhältnisse" verantwortlich ist. Kollegen aus dem Werk berichten und Verteiler der Kollegenzeitung "Der Blitz" bestätigen, dass sich die Stimmung gegenüber von vor paar Wochen deutlich verändert hat. Da gab es oft sarkastische Äußerungen, wie "dann sollen sie doch alles gleich dicht machen". Das war auf der Betriebsversammlung nicht zu hören. Es gab eine größere Zahl kämpferischer Beiträge, die sich die Kolleginnen und Kollegen mit großer Aufmerksamkeit und Ernst anhörten.
Noch trat die Belegschaft nicht in den Streik. Aber als der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel dagegen Stimmung zu machen versuchte und den Gedanken an Streik als „Spaltung“ diffamierte, bekam er keinen Beifall. Die Konzernzeitung von Kollegen zu Kollegen, der „Blitz“ titelte mit der heutigen Extraausgabe: "Entscheidung in Bochum ist fällig: Jetzt 2004 fortsetzen!" Sie wurde von vielen genommen und regte zu intensiven Diskussionen an.
Die Opelaner konnten morgens vor dem Werkstor Solidaritätsdelegationen aus fünf Ländern und mindestens 14 Großbetrieben begrüßen. Sie waren extra vom 7. Automobilarbeiterratschlag gekommen, der am Sonntag zu Ende ging. Weiter waren da: die Bochumer Gruppe von Courage, MLPD, Rebell, Bir-Kar und noch gut 100 weitere Teilnehmer. Die Geschäftsleitung weigerte sich, den ausländischen Delegationen die Teilnahme an der Betriebsversammlung zu ermöglichen.
So gab es dann vor dem Tor Kundgebungen mit Beiträgen von Kollegen und Gewerkschaften aus vielen Autobetrieben und anderen Großbetrieben. Auch die Montagsdemonstration, die diese Kundgebungen angestoßen hatte, beteiligte sich. Ford-Kollegen drückten ihre Solidarität unter anderem mit Liedern aus, Courage hatte Catering organisiert - immerhin gingen die Kundgebungen mit Pausen über fünf Stunden.
Am Ende der Betriebsversammlung zogen etliche Kollegen vor das Tor zu einer öffentlichen Abschlusskundgebung für diesen Tag. Die Betriebsversammlung wurde "unterbrochen" - die Auseinandersetzung geht weiter.
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