Politik

Göttinger Krisenparteitag der Linkspartei

03.06.12 - Der heute zu Ende gegangene Göttinger Parteitag der Linkspartei stand im Zeichen ihren krisenhaften Entwicklung: Offener Schlagabtausch zwischen Gysi und Lafontaine, Anti-Bartsch-Abstimmung bei der Wahl des zweiten Parteivorsitzenden, drastische Zustandsbeschreibungen des Klimas in Teilen der Parteiführung ("pathologischer Zustand", "Hass in der Fraktion", "verkorkste Ehe"). Der Parteitag wählte ein Führungsduo aus Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie die anderen Führungsgremien, er beschloss auch einen Leitantrag. Wenn jetzt zum Teil von Vertretern der Linkspartei gesagt wird, davon würde ein Signal für die Einheit der Partei ausgehen, ist das reines Wunschdenken. Das Ergebnis führt zu keiner Lösung der aufgestauten Widersprüche. Die Gräben zwischen den verschiedenen Lagern der Linkspartei haben sich vertieft.

Von den bürgerlichen Medien wird das zum Teil mit unverhohlener Häme kommentiert und dabei vor allem die persönlichen Widersprüche breit getreten. Die tiefere Ursache dieser Entwicklung liegt aber im Charakter der Linkspartei als Sammelbecken unterschiedlicher Strömungen und Flügel, denen jedoch gemeinsam ist, dass sie alle kleinbürgerlich-reformistische und -revisionistische Illusionen verbreiten.

Diese unterschiedlichen Strömungen wurden bisher vor allem durch den Kitt der zeitweiligen Wahlerfolge zusammen gehalten. Jetzt brechen sie offen auf: Wähler und Anhänger wenden sich zum Teil enttäuscht wegen fehlender grundsätzlicher Alternativen ab; während die Partei zunehmend auf den parlamentarischen Weg orientiert ist, gab es eine Serie von Wahlniederlagen; die Kampagne des Antikommunismus der Herrschenden richtet sich auch zunehmend gegen die Linkspartei verbunden mit der medialen Aufwertung der Piratenpartei; fehlende grundsätzliche Antworten auf die vertiefte Krisenhaftigkeit des Imperialismus usw.

Der von der Linkspartei zuletzt versuchte Spagat, kritische Kräfte zu binden und zugleich weiter Kurs auf Regierungsbeteiligung auf Landes- und Bundesebene zu halten, funktioniert immer weniger. Der am offensten für eine Regierungsbeteiligung um fast jeden Preis eintretende stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch erhielt eine schwere Niederlage. Gysis Forderung in seiner Rede, dass man sich eben auch auf Regierungsbeteiligungen einlassen und mehr mit der SPD kooperieren müsse, stieß auf erhebliche Kritik.

In seiner Replik wies Oskar Lafontaine darauf hin, dass "das, was wir in Deutschland erlebt haben mit Hartz IV und Agenda 2010,... doch jetzt in potenzierter Form in ganz Europa festzustellen" sei und forderte, dagegen "Widerstand" zu leisten. Gleichzeitig lobte er ausdrücklich die Beteiligung der Linkspartei an verschiedenen Landesregierungen oder die "rot-rot-grüne Koalition" auf kommunaler Ebene in Saarbrücken - auch wenn es Situationen gebe, in denen man sagen müsse, "unter diesen Bedingungen ... nicht".

Der vom Göttinger Parteitag ebenfalls beschlossene Leitantrag enthält verschiedene richtige Forderungen und Anliegen, ist aber hauptsächlich ein Programm der illusionären "Demokratisierung" des imperialistischen Europa. Er ist ein Neuaufguss reformistischer und revisionistischer Illusionen, so wenn die Bereitschaft zur Übernahme von "Regierungsverantwortung" an einen "grundlegenden Politikwechsel" geknüpft wird. Die Hoffnung auf einen "grundlegender Politikwechsel" unter der Alleinherrschaft des internationalen Finanzkapitals wird auch zukünftig ein frommer Wunsch bleiben.

Gerade in den letzten Monaten gab es zwischen Teilen der Linkspartei und der MLPD Fortschritte in der Zusammenarbeit. Das gilt es, wo immer möglich, zu intensivieren. Gleichzeitig zeigt der Göttinger Parteitag der Linkspartei, dass sie keine grundsätzliche Alternative ist und umso notwendiger die MLPD als revolutionäre Kraft innerhalb des Linkstrends gestärkt werden muss.