Betrieb und Gewerkschaft

Schlecker-Insolvenz: Weitere 13.200 Schlecker-Beschäftigte werden arbeitslos

02.06.12 - Seit gestern sind auch dle letzten Hoffnungen, die den Schlecker-Beschäftigten vom Insolvenzverwalter und bürgerlichen Politikern noch gemacht wurden, gescheitert. Die Gewerkschaft Verdi spricht von der "größten Insolvenz der BRD-Geschichte". Die Gläubigerversammlung beschloss in Berlin die sofortige Zerschlagung der Drogeriemarktkette. Bis Ende Juni werden die Kündigungsschreiben an die noch 13.200 Beschäftigten, von denen die allermeisten Frauen sind, verschickt. In den noch übrigen 2.800 Filialen wird der Ausverkauf gestartet. "Das ist eine absolute Hiobsbotschaft und eine menschliche und soziale Katastrophe für die Schlecker-Frauen und ihre Familien", empört sich die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Christel Hoffmann.

Zuletzt hatte der Insolvenzverwalter Arndt Gleiwitz nochmals Verhandlungen mit Kaufinteressenten wie der US-Investmentgesellschaft Cerberus geführt, die allerdings scheiterten. Die Schlecker-Insolvenz steht dafür, dass die Regierung von ihrem Kurs der Dämpfung der Klassenwidersprüche in der Weltwirtschafts- und -finanzkrise verstärkt zu einem harten Kurs der rigorosen Abwälzung der Krisenlasten übergehen will. Deshalb war die Regierung noch nicht einmal zum Zugeständnis einer Transfergesellschaft bereit, die den Übergang in die Arbeitslosigkeit verzögert hätte - zumal es auch keinen massenhaften und entschlossenen Kampf der Beschäftigten gegeben hat.

Wenn jetzt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel vor allem der FDP die Schuld an der Schlecker-Pleite gibt, geht das an den realen Hintergründen völlig vorbei. Tatsächlich verweigerten die FDP-Wirtschaftsminister der Länder lediglich ihre Zustimmung zur T70-Millionen-Bürgschaft für eine Transfergesellschaft. Über die Abwicklung von Schlecker im Rahmen des Insolvenzverfahrens war sich die gesamte Regierung von vorherein einig und auch die SPD tat alles dafür, mit Illusionen über eine Transfergesellschaft, in Verhandlungen mit Investoren usw. die Beschäftigten vom Kampf um ihre Arbeitsplätze abzuhalten.

Der Grund für die Schlecker-Insolvenz war auch nicht die mangelnde "demokratische Kontrolle" über den zum Konzernchef aufgestiegenen Einzelkaufmann Anton Schlecker, wie jetzt SPD-Politiker teilweise behaupten. Angesichts eines in der Krise schrumpfenden Marktes für Drogerieartikel wurde Schlecker Konkurrenten wie "Rossmann" und "dm" geopfert, die zu finanzstarken Übermonopolen gehören und einen führenden Weltmarktanteil erobern sollen (siehe "rf-news"-Artikel vom 1.3.12).

Dass ausgerechnet die "Ihr Platz"- und Schlecker-XL-Filialen von der Zerschlagung ausgenommen werden soll, hat seinen Hintergrund auch in der Tatsache, dass hier ein größerer Anteil der Beschäftigten zu Niedriglöhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen arbeiten. Das unterstreicht, dass es mit der Insolvenz unter anderem darum ging, die bei Schlecker erkämpften Tarifrechte wieder zu zerschlagen.

Zynisch "bedauerte" Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nun, dass kein Investor gefunden worden sei. Die Beschäftigten könnten "sich aber auf das umfangreiche Hilfsangebot der Bundesagentur für Arbeit verlassen". Eine glatte Verhöhnung der Schlecker-Kolleginnen und -Kollegen. Tatsächlich hatten Ende April gerade mal 87 der 2.494 Gekündigten in Nordrhein-Westfalen eine neue Stelle gefunden, in ganz Deutschland waren es 778 von insgesamt 10.065 Betroffenen.

Die Zerschlagung von Schlecker zeigt, dass nur in einem mit aller Härte und Konsequenz geführten Kampf die Arbeitsplätze erfolgreich verteidigt werden können. Die Duisburger Schlecker-Betriebsratsvorsitzende Regine Liebig berichtete gegenüber "rf-news", dass am Montag unter anderem in Düsseldorf im Anschluss an Gespräche mit der Landesregierung eine weitere Demonstration geplant sei. Dass die Schlecker-Beschäftigten nicht aufgeben, ist zu begrüßen. Dabei kann es aber nicht um eine Verlängerung des Insolvenzgelds gehen. Der Kampf der Schlecker-Beschäftigten hat nur eine Perspektive, wenn sie sich mit den Beschäftigten der anderen Drogeriemarktketten zusammen schließen. Mit der branchenweiten Durchsetzung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich wäre es möglich, Arbeitsplätze nicht nur zu erhalten, sondern auch neue zu schaffen.