International
Griechenland: "Volkskomitees" organisieren Widerstand gegen Verelendung
Stuttgart (Korrespondenz), 09.06.12: "Die materielle Lage des griechischen Volks ist dramatisch", sagt mein Bekannter Jorgos gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Vor allem Industriearbeiter und ihre Familien leiden Not. Bis zu 50 Prozent betragen inzwischen Lohn- und Rentenkürzungen. Außerdem schuldet der griechische Staat Kleinunternehmern Millionen Euro an Mehrwertsteuern, die ihnen für 7 bis 8 Monaten das Überleben sichert.
Gleichzeitig wächst die Zahl der Arbeitslosen rasant: Jeden Tag verlieren in Griechenland rund 500 Menschen ihren Job. Kein Wunder, dass eine große Anzahl von Kindern keine warme Mahlzeit mehr am Tag bekommen, viele Menschen mit den Mieten in wachsenden Rückstand geraten und zu Verwandten in beengte Wohnverhältnisse ziehen müssen oder einfach auf der Straße landen. So ist es kein Einzelfall, wenn sich die Schwester von Jorgos inzwischen drei Tage lang kein Brot kaufen kann.
Diese wachsende Verelendung fordert den Widerstand des griechischen Volks heraus. Große internationale Solidarität findet nach wie der anhaltende Streik der griechischen Stahlarbeiter. Gleichzeitig haben sich besonders in größeren Städten "Volkskomitees" gebildet, die sich zur Aufgabe gemacht haben, einander in Alltagssituationen zu helfen. Teilweise zwingen sie Krankenhäuser, auch Menschen ohne Krankenversicherung zu behandeln. Allerdings machen das inzwischen viele Ärzte auch von sich aus.
Auch werden Büros der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft DEI massenhaft besetzt, wenn die den Kunden den Strom abstellen, die die neue staatliche "Immobiliensteuer" nicht zahlen können, welche über die Stromrechnung eingezogen wird. In den meisten Fällen wird nach Protesten der Strom wieder angestellt.
Zur Bekämpfung des Hungers wurde im Rahmen einer "Kartoffelbewegung" die Vermarktung von Kartoffeln unter Umgehung von Handelsprofiten organisiert. Zur Linderung der schlechten Ernährungssituation gibt es in den großen Städten wie Athen oder Thessaloniki Suppenküchen, für die teilweise die nötigen Nahrungsmittel gespendet und von Frauen unentgeltlich zubereitet und verteilt werden.
In der Bekanntmachung der Kämpfe gegen die katastrophalen Folgen des Diktats des internationalen Finanzkapitals sieht Jorgos einen wichtigen Beitrag zur praktischen Solidarität mit dem griechischen Volk. Für wichtig hält Jorgos dabei, dass der gemeinsame Gegner entlarvt wird. Außerdem hält er die Übersendung von Spenden, auch von Kleidung und Nahrung, für wichtig.