Politik

Neue "Pflegereform" - Versicherungskonzerne und andere Monopole profitieren

07.06.12 - Das Bundeskabinett aus CDU/CSU und FDP stimmte gestern den Plänen von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zur "Reform" der Pflegeversicherung zu. Deren Kern ist die staatliche Bezuschussung privater Pflegeversicherungen mit fünf Euro pro Monat ab Anfang 2013, wofür 100 Millionen Euro im Bundeshaushalt eingeplant sind. Der Gesetzentwurf soll im Eilverfahren bis Anfang Juli durch den Bundestag gebracht werden. Im Bundesrat ist er nicht zustimmungspflichtig.

Begründet wird die erneute "Pflegereform" von der Regierung vor allem damit, dass die Einnahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung trotz bereits beschlossener Erhöhung der Sätze um 0,1 Prozent ab dem 1.1.2013 geringer steigen als die Ausgaben. Tatsächlich wird vor allem für die stark wachsende Zahl von Demenzkranken ein höherer Pflegeaufwand nötig sein. Die Pflegeversicherungen rechnen damit, dass die Zahl der Pflegebedürftigen von heute 2,2 Millionen auf 2,8 Millionen im Jahr 2020 und 3,2 Millionen im Jahr 2030 steigen wird.

Höhere Kosten entstehen aber auch durch die zunehmende Zahl privater Pflegeeinrichtungen, die mit diesem "Geschäft" Profit machen. Ihre Zahl stieg seit 1999 am stärksten (um 50 Prozent) an, während die der Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft um 17 Prozent sank. Durch Fusionen und Übernahmen entstehen immer mehr große Pflegeheimketten. Die zehn größten privaten Pflegebetreiber konnten ihren Marktanteil allein von 2009 bis 2010 um 10 Prozent steigern (Ernst & Young, "Stationärer Pflegemarkt im Wandel").

Durch die jetzige Reform wird das Problem aber verstärkt auf die Masse der Versicherten, der Pflegebedürftigen und ihrer Familien abgewälzt. Woher soll ein Arbeiter oder Arbeitsloser, der sich bisher keine private Zusatzversicherung leisten konnte, das Geld dafür plötzlich haben, nur weil er vom Staat fünf Euro an Zuschuss erhält? Rund 40 Euro kostet eine Police bisher im Schnitt für einen 45-jährigen Mann. Eine gleichaltrige Frau zahlt sogar 55 Euro im Monat. 

Zwar hat die Regierung festgelegt, dass jeder Antrag auf Zusatzversicherung ohne vorherige Gesundheitsprüfung bewilligt werden muss - damit auch Menschen mit Vorerkrankungen sich dies leisten können. Das Ergebnis wird aber eine generelle Verteuerung der Policen sein, da die Versicherungskonzerne bisherige sogenannte "Risikozuschläge" auf die Allgemeinheit umschlagen werden.

Schon durch die ausschließliche Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung aus Beiträgen der Arbeiter und Angestellten - im Unterschied zur Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung, für die auch die Unternehmer Beiträge entrichten - wurde begonnen, die wachsenden Kosten der Pflege auf die Masse der Arbeiter und Angestellten abzuwälzen.

Dieser Kurs wird nun unter dem heuchlerischen Vorwand von "mehr Eigenvorsorge und Verantwortung" noch verschärft. Zu zahlen haben sie zukünftig auch noch die Profite, die die Versicherer aus den privaten Zusatzversicherungen ziehen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rechnet bei den staatlich geförderten Pflegepolicen erst mit Billigofferten und dann mit saftigen Preisanstiegen: "Ich gehe davon aus, dass die Policen später pro Jahr um zehn Prozent teurer werden."

Was die Regierung beschlossen habe, "stärkt einzig und allein die Versicherungswirtschaft", kritisiert der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Da eine wachsende Zahl von Menschen sich überhaupt keine Zusatzversicherung werden leisten können, muss die Regierung nicht einmal befürchten, dass ihr Etat von 100 Millionen Euro ausgeschöpft, geschweige denn nicht ausreichen wird.

Faktisch wird dadurch eine wachsende Zahl von Menschen überhaupt nicht in der Lage sein, Vorsorge für die Pflege zu treffen und bei chronischer Krankheit mit minimalen Leistungen aus der Sozialhilfe abgespeist werden oder den sich dafür aufopfernden Angehörigen zur Last fallen. Auch die Familien werden die steigenden Kosten aber immer weniger schultern können.

Die Lösung kann jedoch nicht darin bestehen, statt dessen die gesetzlichen Pflegeversicherungsbeiträge zu erhöhen, wie es der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert. Für die Pflegekosten aufkommen müssen die Unternehmer und Konzerne, die aus der Arbeitskraft der Werktätigen Jahr für Jahr wachsende Profite ziehen. Darauf zielt die Forderung der MLPD nach einer umsatzbezogenen Sozialsteuer von ca. 6 Prozent, die allein von den Unternehmen (und schwerpunktmäßig von den umsatzstärksten großen Monopolen) aufzubringen ist und alle Sozialversicherungsbeiträge (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung) abdecken würde.