Kultur
Fußball-EM: Eine Zwischenbilanz
Dortmund (Korrespondenz), 22.06.12: Auffällig ist bisher, dass es nicht die EM des großen Spektakels ist, der alles überstrahlenden Superstars, der hoch überlegenen Teams.
Bis auf zwei Ausnahmen gingen alle Spiele knapp aus. Im Viertelfinale sind zwar hauptsächlich die „großen“ Fußballnationen vertreten. Oftmals war es allerdings haarscharf. Dass die beiden Gastgeber bereits ausgeschieden sind, ist schade. Es überwiegt die Völkerfreundschaft bei dieser EM – Bilder der gemeinsam durch den Regensturm tanzenden Fans von Frankreich und der Ukraine, die untereinander Choreographien organisierten und so die stundenlange Unterbrechung nutzten, bleiben ebenso unvergessen wie die irischen Fans, die für Gänsehaut sorgten, als sie kurz vor Ausscheiden aus dem Turnier im zweiten Gruppenspiel minutenlang sangen. Es war ein Volkssong über den Widerstand gegen die große Hungernot Mitte des 19. Jahrhunderts, verursacht durch die englische Besatzung. Auch aktuell machten sie – und andere - sich mit ihren Plakaten wie „Angela Merkel thinks we're at work“ („Angela Merkel denkt, wir würden jetzt arbeiten“) ebenso lustig über die Probleme der Herrschenden in Europa und die dominante Rolle des deutschen Imperialismus in der EU-Krisenpolitik. Hervorzuheben ist hier auch das griechische Team, das bereits vor der EM sagte, dass sie für das griechische Volk und seinen Stolz spielen, mit Herz, kämpfend, niemals aufgebend vor scheinbar übermächtigen Gegnern. Bisher hat das gut geklappt, ein Sieg gegen Deutschland heute Abend wäre natürlich etwas ganz Besonderes ...
Besonders wenn man den schnellen, direkten und schönen Fußball der Bundesligasaison, beispielhaft von Dortmund oder Gladbach, gewohnt ist, findet man viele Spiele im Turnier bisher überraschend verhalten und ängstlich. Das Defensivkonzept, der offensive Ballbesitz und das „Gegenkonzept“ des klassischen englischen „Kick and Rush“ waren bisher alle vertreten und lassen keinen eindeutigen Trend erkennen, wohin der Fußball sich entwickelt. Ein bisher wirklich vielfältiges Turnier, mit taktisch wie spielerisch ansprechenden Partien, aber auch fußballerischer Magerkost. Also – bei der Qualität der Spiele ist noch Luft nach oben, Spannung ist in der KO-Phase eh' garantiert und bald ist ja dann zum Glück auch wieder Bundesliga!