Betrieb und Gewerkschaft

Opel-Arbeiter zum Vorstandswechsel: "Wir erwarten von keinem Manager etwas"

17.07.12 - Nach dem plötzlichen Abgang des ehemaligen Opel-Chefs Stracke wurde auf der heutigen Aufsichtsratssitzung Thomas Sedran zum neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt - zumindest bis Jahresende. Nach nur 15 Monaten im Amt musste Stracke seinen Job noch schneller wieder abgeben als sein Vorgänger Nick Reilly. Nun soll der ehemalige Unternehmensberater Sedran, der erst im April Opel-Vorstandsmitglied wurde und als Mann für "schwierige Sanierungsfälle" gilt, die geplante massive Arbeitsplatzvernichtung unter anderem durch Werksschließungen und eine noch weitere Steigerung der Ausbeutung bei Opel durchdrücken.

Er scheint dem Aufsichtsrat auch als geeignet, diese härtere Gangart dennoch möglichst mit den Mitteln der Klassenzusammenarbeit zu verwirklichen - das macht ihn allerdings noch lange nicht zu einem "Gewerkschafter", wie ihn bürgerliche Medien titulieren! 

Steffen Reichelt, Betriebrat der Liste "Offensiv" und stellvertretender Leiter des Vertrauenskörpers der IG Metall bei Opel Bochum, beurteilt den Abgang von Opel-Chef Stracke so: "Das war kein Rücktritt, sondern ein Rausschmiss. Und der hat zwei Seiten. Zum einen natürlich, dass GM (Opels "Mutterkonzern" General Motors - Anm. d. Red.) unter sehr starkem Druck steht aufgrund der krisenhaften Entwicklung auf dem Automarkt in Europa. Da passte ihnen jetzt der Kurs von Stracke mit seinen Zusagen, bis 2016 auf Schließungen zu verzichten usw., nicht mehr in den Kram. Auf der anderen Seite ist Stracke einfach nicht fertig geworden mit den Belegschaften in Deutschland und in Europa und insbesondere in Bochum. Die Aktion bei der Betriebsversammlung am 16. Juni, als die gesamte Belegschaft aufgestanden und rausgegangen ist, bevor er überhaupt was sagen konnte, das hat ja sogar bundesweite Wellen geschlagen. Das war eine öffentliche Demütigung. In dieser Situation von Opel war dieser Manager nicht mehr tragbar."

Die Krise der Autoindustrie in Europa trifft Opel besonders. Insgesamt ging die Zahl der Neuzulassungen von Pkw in Europa im letzten Jahr um 8,7 Prozent zurück. Davon sind besonders Hersteller von kleineren und mittleren PKW, die sogenannten "Massenhersteller", betroffen, also Opel und Ford, PSA, Fiat und Renault. Hintergrund davon ist, dass die Bedeutung der EU als Produktionsstandort und teilweise als Absatzmarkt für die weltweiten Automobilmonopole rapide abnimmt.

Während die Wirtschaft - und damit auch die Absatzmärkte für Autos - in manchen Ländern Osteuropas, Asiens und Südamerikas zurzeit noch wachsen, stagniert die Produktion in Europa und den USA mit abnehmender Tendenz. In den USA hatte GM die akute Krise von 2009 dadurch überwunden, das der Konzern mit 50 Milliarden US-Dollar Staatshilfen die Produktion in den USA zurück fuhr und stattdessen verstärkt Werke in China baute. Dabei entließ GM in den USA 30 Prozent der Arbeiter, senkte die Löhne und kürzte die Sozialleistungen drastisch.

Eine ähnliche Vorgehensweise plant GM in der Allianz mit PSA jetzt in Europa. Allerdings trifft das GM/Opel-Management hier auf zunehmend kampferprobte und -bereite Belegschaften, die sich auch international immer besser zusammenschließen. Angesichts eines massiven länderübergreifenden Widerstands musste Stracke bis 2016 auf Werksschließungen und "betriebsbedingte Kündigungen" verzichten. Nachfolger Sedran soll nun "härter durchgreifen".

Dazu Steffen Reichelt: "Es ist ja seit Donnerstag zu lesen, dass jetzt die harte amerikanische Sanierung kommt. Das wirkt natürlich auf den einen oder andern Kollegen. Aber insgesamt berührt diese Angelegenheit der Neuwahl die Kollegen sehr wenig. Wir erwarten hier von keinem Manager etwas. Über das unglaubliche Theater in den Medien über diese Neuwahl kann man nur den Kopf schütteln. Wir diskutieren das unter den Kollegen so, dass es für uns zweitrangig ist, wer da gewählt wird. Intensiv beraten wir dagegen, wie wir uns vorbereiten auf die weitere Auseinandersetzung."

Steffen Reichelt meint, dass es eine sehr positive Entwicklung in den letzten Wochen gab: "Über die verschiedenen Aktivitäten habt ihr ja berichtet. Trotzdem ist natürlich auch klar, dass die anstehenden Fragen noch tiefer geklärt werden müssen in der Belegschaft. Im Grunde ist unsere einzige Alternative, den Kampf verstärkt fortzuführen. Dabei muss auch eine Tendenz zur Resignation überwunden werden. Dafür ist das 'Zukunftsprogramm zum Kampf um jeden Arbeitsplatz' sehr wichtig. Wir werden das jetzt mit den ganzen Erstunterzeichnern neu herausgegeben.

Gut war auch letzte Woche die Sammlung von 800 Unterschriften für die Auszahlung der Tariferhöhung, die 20 Leute der Werksleitung vorgelegt haben. Es hat sich die Haltung gefestigt, dass wir zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit sind. Die Masse der Kollegen kritisiert eindeutig, dass die 4,3 Prozent Tariferhöhung von der IGM-Führung gestundet wurden. Das geht durch die ganze Belegschaft bis hinein in den Betriebsrat und die Vertrauenskörperleitung. Unter den Kollegen wird auch die Bandabschaltung am 28. Juni, dem Aktionstag, als sehr gute Sache angesehen. Das sind wichtige Signale, die jetzt verarbeitet werden. Es gibt jetzt keine rasante Entwicklung in wenigen Tagen, aber der Widerstandswille festigt sich doch spürbar."