Kultur
Olympische Spiele 2012 in London - "Dabei sein" war nicht alles ...
12.08.12 - Heute gehen die 30. Olympischen Spiele zu Ende. Dieses Mal waren die Frauen endlich überall dabei. 1896 in Athen ließ der Begründer dieser Spiele in der Neuzeit, Pierre Baron de Coubertin, nur 295 männliche Athleten aus 13 Nationen an den Start. Jetzt waren 4.800 der 10.500 Olympioniken weiblich und Frauen in jeder der 204 nationalen "Mann"schaften vertreten. Selbst das extrem frauenfeindliche saudi-arabische Regime konnte sich dem Fortschritt der internationalen Frauenbewegung nicht mehr entziehen und akzeptierte erstmals die Teilnahme zweier Sportlerinnen beim Judo und in der Leichtathletik, wenn auch mit Kopftuch. Unser Glückwunsch an diese Bahnbrecherinnen!
Umjubelt wurden von über 80.000 Zuschauern im Stadion Superleistungen wie die des jamaikanischen Läufers Usain Bolt, der es als erster Sprinter geschafft hat, für die 100 und die 200 Meter sowie in der Staffel zwei Mal in Folge olympische Goldmedaillen zu holen - und um den es einen entsprechenden "Medienrummel" gab. Bejubelt wurden aber auch Leistungen wie die des 25-jährigen Timi Garstang von den Marshallinseln, der in diesem Jahr überhaupt zum ersten Mal an einem Wettkampf teilgenommen hat und im Vorlauf über 100 Meter mit 12,81 Sekunden ausschied. Sein Kommentar: "Im Stadion waren heute mehr Menschen, als auf den Marschallinseln leben."
Viel Theater machten Spitzenfunktionäre, bürgerliche Politiker und Medien zum Thema "deutsche Medaillen". Die 392 deutschen Teilnehmer hatten bereits 2008 vom Bundesinnenministerium die Zielvorgabe bekommen, 86 Medaillen (davon 28 goldene) zu erobern. Aber bis heute Mittag wurden "nur" 44 Medaillen erkämpft (mehr also als in Peking), die "Schuld"-Diskussion ist in vollem Gange. Aber es nehmen schließlich noch 203 andere Mannschaften teil!
Überheblich und teilweise mit ätzenden Kommentaren wurden Leistungen deutscher Athleten abqualifiziert, so wenn "BILD" die Schwimmer als "Looser" bezeichnete. Solche idealistischen, großspurigen Zielvorgaben - mit 4 Prozent der Teilnehmer 9,5 Prozent der zu vergebenden Trophäen abkassieren zu wollen - entsprechen der deutschen Vormachtstellung in der EU, die sich eben auch im Sport ausdrücken soll. Wurde als olympische Idee einst "Dabei sein ist alles" propagiert, genügt dies imperialistischen Herrschaftsvorstellungen nicht einmal im Ansatz ...
Die Hauptauseinandersetzung geht jetzt darum, ob noch mehr Geld in den Spitzensport gepumpt werden und eine stärkere Professionalisierung durchgesetzt werden muss - während gleichzeitig der Breitensport immer mehr zusammengestrichen wird. "Dabei sein" - daraus wurde vor allem auch für Großkonzerne, das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die bürgerlichen Medien ein riesiges Geschäft. Die Spiele haben einen geschätzten Rekord-Umsatz von über 7 Milliarden Euro gebracht. Allein die Fernsehrechte gingen mit fast 3,2 Milliarden Euro über den Tisch. Die großen Sponsoren wie BMW, McDonalds, Coca Cola, Visa usw. investierten fast 800 Millionen Euro - sie werden auf ihre Kosten kommen. Den Sportlern dagegen ist es bis zum 16. August vertraglich verboten, Werbung für eigene Sponsoren zu machen.
Schlagzeilen machte der "Fall Nadja Drygalla": Die Ruderin verließ panisch das olympische Dorf, als ihr Freund als strammer NPD-Faschist in Rostock zum Medienthema wurde. CDU-Verteidigungsminister De Maizière nahm Drygalla inzwischen in Schutz. Er will ihre Einstellung in die Bundeswehr als Sportsoldatin "ernsthaft prüfen" und lobt ihre angeblich "eindrucksvolle Distanzierung von rechtem Gedankengut". Von "Distanzierung" war allerdings im Vorfeld wenig zu spüren und sie blieb auch hinterher verschwommen. Warum die Flucht, wenn angeblich "keine Kontakte zur rechtsextremen Szene" von ihr bestehen und ihr Freund "mit der NPD gebrochen" hat? Trotz NPD-Austritt im Mai publizierte Michael Fischer munter noch Mitte Juni auf faschistischen Internet-Seiten und bleibt bei "Facebook" mit berüchtigten Faschisten vernetzt. Die Auseinandersetzung über die Ruderin Drygalla ist eine Reaktion auf die deutlich gewachsene antifaschistische Grundeinstellung in Deutschland.
Nationale Begeisterungsstürme fielen überhaupt wenig auf. Der gezeigte Respekt für die Leistung der Sportlerinnen und Sportler aller Nationen bei insgesamt bunten und fröhlichen Wettkämpfen zeigt, dass trotz aller nationalistischen Gegentendenzen und Geschäftemacherei im Zeichen der fünf Ringe es gerade der internationale Charakter der Olympischen Spiele ist, der die Menschen weltweit begeistert. Und heute Abend wird bei der großen Abschlussfeier (22.00 Uhr MEZ) der Stab an Brasilien übergeben, das 2016 die nächsten Spiele ausrichten wird.