Politik
Das Ehegattensplitting – ein reaktionäres Steuergesetz
14.08.12 - 13 CDU-Bundestagsabgeordnete haben in der letzten Woche die Initiative ergriffen, homosexuelle Lebenspartnerschaften steuerlich mit der Ehe gleichzustellen. Das hat eine breite Debatte um das Ehegattensplitting ausgelöst. Selbstverständlich ist es vollkommen in Ordnung, dass Homosexuelle nicht rechtlich benachteiligt werden. Hierbei geht es aber nicht um eine fortschrittliche Regelung, sondern darum, Lesben und Schwule in die bürgerliche Familienordnung einzubinden. Das Ehegattensplitting ist per se reaktionär und gehört abgeschafft.
Das Ehegattensplitting funktioniert so, dass die Einkommen beider Ehepartner zusammengerechnet werden und dann dieses Einkommen jeweils zur Hälfte den Partnern zugerechnet wird. Das so jeweils halbierte Gesamteinkommen wird dann nach dem Grundtarif besteuert, die beiden Steuerbeträge werden wieder zusammengerechnet. Das bringt Eheleuten v.a. bei unterschiedlich hohen Einkommen Steuervorteile. Bei hohen Einkommen sind die Vorteile besonders hoch, vor allem dann, wenn nur ein Partner erwerbstätig ist. Denn dadurch wird die Steuerprogression „gestreckt“. Verdient nur einer, sparen Eheleute bei einem Jahreseinkommen von unter 25.000 Euro 70 Euro im Monat, bei 30.000 bis 40.000 Euro 212 Euro, bei 50.000 bis 75.000 Euro sind es schon 349 Euro Ersparnis und bei 75.000 bis 100.000 Euro Jahreseinkommen immerhin 432 Euro im Monat (Berechnungen der „Frankfurter Rundschau“ vom 14. 8. 12)!
Eingeführt wurden die gemeinsame Steuerveranlagung und die Steuerprogression 1934 von den Hitler-Faschisten mit dem erklärten Ziel, dass Frauen nicht erwerbstätig sein, sondern Kinder gebären und ihren Männern den Haushalt führen sollten. 1951 übernahm die Adenauer-Regierung die Zusammenveranlagung, allerdings wurden wegen der Steuerprogression dadurch höhere Einkommen stärker belastet, was 1958 durch die Einführung des Splittings wieder geändert wurde. Noch 1981 bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Ehegattensplitting, es solle „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“ sein.
Die Einzelfamilie – und ihre rechtliche „Absicherung“ durch die Ehe – ist die wirtschaftliche Grundeinheit der bürgerlichen Gesellschaft. „Die Ehe mit niedrigem oder ohne eigenes Einkommen der Ehefrau wird vom Staat vielfältig gefördert. Im Steuerrecht wird dies am deutlichsten in den Regelungen des ,Ehegattensplittings‘“, heißt es im Buch „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“ (S. 70). Der materielle Anreiz für die bürgerliche Familienordnung ist eingebettet in ein umfassendes weltanschauliches Konstrukt, die Ehe geradezu auf den Sockel eines Heiligtums zu stellen, wobei natürlich auch die Kirche kräftig mitmischt. Die chronische Krise der bürgerlichen Familienordnung allerdings führt dazu, dass die Zahl der Eheschließungen in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurückgeht, die Scheidungsrate liegt inzwischen bei zirka 50 Prozent, es gibt immer mehr Alleinerziehende, Familien ohne Trauschein usw. Außerdem ist es heute nicht im Interesse der Monopole, dass massenhaft gut ausgebildete Frauen zu Hause bleiben.
Diesen Veränderungen und der anhaltenden breiten Kritik muss sich die Gesetzgebung anpassen, daher die Debatte um die gleichen Steuergesetze für andere, feste Lebenspartnerschaften, unter anderem auch für Homosexuelle. Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) tritt dafür ein mit der Begründung, auch in lesbischen und schwulen Partnerschaften übernähmen die Partner dauerhaft Verantwortung miteinander und lebten damit „konservative Werte“. Ein Versuch zur Rettung des „Splittings“ ist auch die Forderung nach einem „Familiensplitting“, das die Ehe mit Kindern, aber eben besonders die mit höherem Einkommen steuerlich bevorteilen würde.
Zahlreiche Verbände wie der Deutsche Frauenrat, pro familia, die AWO, der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter usw. fordern seit Jahren die Abschaffung des Ehegattensplittings. Auch die MLPD tritt dafür ein. Sie kritisiert die viel zu hohe Besteuerung der Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen und fordert die Senkung der Massensteuern, die Abschaffung der indirekten Steuern und die drastische progressive Besteuerung der Großunternehmen und Großverdiener!