Politik
Von der Leyens "Zuschussrente" ändert nichts Wesentliches an wachsender Altersarmut
13.08.12 - "Die Renten sind so sicher wie das Amen in der Kirche." Ist diese Rentenlüge vom damaligen CDU-Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm (CDU) aus dem Jahre 1986 noch zu toppen? Die heutige CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen versucht es: "Das deutsche Alterssicherungssystem ist stabil und sicher ... Reformen haben die Rente demografie- und zukunftsfest gemacht", heißt es in der Presseklärung zu ihren jüngsten Reformplänen, die von der Bundesregierung am 29. August beschlossen werden sollen. Die sind - im Hinblick auf das Wahljahr 2013 - eine Reaktion auf die wachsende Kritik an der steigenden Altersarmut.
Tatsächlich haben die Bundesregierungen aller Couleur in den letzten Jahrzehnten mit ihren so genannten "Rentenreformen" schrittweise eine nie gekannte Massen-Altersarmut festgeschrieben, sobald die heutige Generation der Minijobber, Teilzeitkräfte, Leiharbeiter, Niedriglöhner, Scheinselbständigen und Hartz-IV-Betroffenen das Rentenalter erreicht haben wird. Selbst von der Leyen rechnet in ihrer Presseerklärung mit einer "dynamisch und kontinuierlich" wachsenden Zahl von Rentnerinnen und Rentnern, die mit ihrer Rente nicht mehr das Existenzminimum bestreiten können. In nur 18 Jahren, bis 2030, sollen es nach ihren - geschönten - Zahlen mindestens 1,4 Millionen sein. Auch wenn sie, was von der Leyen voraussetzt, im Rentenalter hinzu verdienen und eine zusätzliche private Rente beziehen.
Dennoch soll der Beitragsatz zur gesetzlichen Rentenversicherung, der jeweils zur Hälfte von den Unternehmen und den Werktätigen gezahlt wird, weiter gesenkt werden. Bereits zum Jahresbeginn 2012 war der Beitragssatz von 19,9 Prozent des Bruttolohns auf 19,6 Prozent gesenkt worden. Nun soll er ab dem 1. Januar 2013 auf 19,0 Prozent sinken. Für die Unternehmen bedeutet das eine nochmalige dauerhafte Senkung der Lohnkosten um jährlich 2,7 Milliarden Euro. Nach der gleichen Berechnung der Rentenversicherung steigt für den "Durchschnittsverdiener" dadurch der monatliche Nettolohn um ganze 9 Euro.
Wie man mit weniger Beiträgen angeblich mehr und zumindest existenzsichernde Renten zahlen kann, dazu führt von der Leyen den neuen Begriff der "Zuschussrente" ein. Bezieher einer Minirente haben bereits heute einen Anspruch auf die sogenannte "Grundsicherung im Alter". Diese soll für alle "Versicherten mit geringen Einkommen" durch die "Zuschussrente" ersetzt werden. Und zwar mit einem Bruttobetrag in Höhe von maximal monatlich 850 Euro für Alleinstehende und 1.700 Euro bei Verheirateten bzw. Lebenspartnern. Dabei werden sämtliche sonstigen Einkünfte (gesetzliche Rente, private und Betriebsrente, Zinserträge aus dem Ersparten, Hinzuverdienste usw.) angerechnet bzw. abgezogen. Somit lägen die Einkünfte der betroffenen Rentner kaum über Hartz IV.
Das Perfide an der "Zuschussrente" ist, dass die Voraussetzungen für den Anspruch darauf Jahr für Jahr höher geschraubt werden. Erforderlich beim Start ab dem 1. Juli 2013 sollen 40 Versicherungsjahre sein, von denen mindestens 30 Jahre lang ein Beitrag in die Rentenversicherung gezahlt wurden. Das steigt in zehn Jahren auf 45 Versicherungsjahre mit 35 Beitragsjahren. Ab dem Jahre 2019 ist zusätzlich eine private Altersversicherung Voraussetzung, die spätestens im Jahr 2014 abgeschlossen wurde. Es wird wohl immer ein Geheimnis der Sozialministern von der Leyen bleiben, wie Werktätige mit einem geringen Einkommen je in der Lage sein werden, sich eine private Rentenversicherung zu leisten.
Was hier als "Zuschuss" für Rentner ausgegeben wird, ist in Wahrheit nur der Versuch, die drastischen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Sozialsysteme und die dramatisch steigende Altersarmut zu verschleiern, um nicht auch die Rentner massenhaft gegen die Regierung aufzubringen. Aber auch die Kritik von SPD- und Gewerkschaftsführung an von der Leyens Plänen ist scheinheilig: Verschwiegen wird, dass die Einführung von Hartz IV unter der SPD/Grünen-Regierung, die verschiedenen Gesetze zur Durchsetzung des Niedrigstlohnsektors und der Leiharbeit sowie die Erhöhung des Renteneintrittsalters schließlich die Altersarmut wesentlich mit verantworten!
Die Bundestagswahl rückt näher und die bürgerlichen Parteien bangen nicht nur um die 20 Millionen Wählerstimmen der Rentner. Sie fürchten auch soziale Unruhen, wie es sie schon in anderen europäischen Ländern gibt, wenn sich Jung und Alt, Arbeiter, Arbeitslose und Rentner gegen die Abwälzung der Krisenlasten zusammenschließen.