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Proteste gegen Merkel in Athen

Proteste gegen Merkel in Athen
Stahlarbeiter von Aspropyrgos an der Spitze des Demonstrationszuges

10.10.12 - 70.000 Demonstranten strömten am 9. Oktober auf den Syntagma-Platz, um der verhassten deutschen Bundeskanzlerin einen gebührenden Empfang zu bereiten. Ihr Demonstrationsverbot konnte die mit 7.000 Mann angerückter Bereitschaftspolizei nicht aufrecht erhalten. Diszipliniert, trotz all der Wut, hatten die Demonstranten Transparente und Plakate mitgebracht, mit denen sie völlig zurecht die führende Rolle der Bundesregierung bei der Ausplünderung der griechischen Bevölkerung im Interesse des internationalen Finanzkapitals anprangerten. 

Es war der erste Besuch der deutschen Regierungschefin in Griechenland seit Beginn der Euro-Krise, die sich längst zur EU-Krise ausgeweitet hat – mit gegenwärtig ausgeprägten Tendenzen zu weiteren Abstürzen. Milliarden wurden aus europäischen Staatshaushalten gezogen, um mit immer neuen "Rettungsschirmen" Banken und Konzerne vor Kreditausfällen und damit einer drohenden griechischen Staatspleite zu bewahren. Die rabiaten Kürzungsprogramme, die als "Gegenleistung" erpresst wurden, haben die Wirtschaftsentwicklung in Griechenland regelrecht erdrosselt.

Heute sind 24 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter ohne Arbeit, bei Jugendlichen unter 25 Jahren ist diese Quote auf über 50 Prozent hoch geschnellt. Mit Lohn- und Rentenkürzungen, tiefen Einschnitten im Bildungs- und Gesundheitswesen, Mehrwertsteuererhöhungen und Sondersteuern selbst für das kleinste Wohneigentum, die über die Stromrechnungen eingetrieben werden, wird die Masse der Bevölkerung ausgeplündert – während sich Reeder und Konzernmanager über weitere Steuerfreiheit freuen können.

Jetzt gab sich Merkel geradezu demütig, sie sei "nicht als Lehrerin oder Notengeberin" gekommen. Sie wisse als ehemalige Ostdeutsche, "es wird ein längerer Weg sein", bis Reformen greifen. Aber sie glaube, dass auch die Griechen "Licht am Ende des Tunnels sehen werden“. Sie sagte aber nicht, dass die meisten Menschen in Ostdeutschland auf das Ende des Tunnels heute noch vergeblich warten, das ihr Vorgänger Kohl vor 20 Jahren mit dem Versprechen "blühender Landschaften" voraussagte. "Da blutet einem schon das Herz", erklärte sie, aber "das Land" müsse da durch, damit es wieder "aufwärts" gehen könne. Ironische Aufrufe zur "Blutspende für Merkel" schallten ihr aus den Reihen der demonstrierenden Gewerkschafter entgegen.

Auch in Thessaloniki und in anderen Städten wurden Protestdemonstrationen organisiert. Aus Spanien und Portugal und auch von der deutschen Linkspartei waren Delegationen auf der Demonstration in Athen. 

Ein mittlerweile arbeitsloser Arbeiter aus Athen berichtet am Telefon zu "rf-news": "Über 20 Prozent konnten schon bisher nicht die Sondersteuer mit der Stromrechnung bezahlen. Die nächste Rechnung liegt bereits auf dem Tisch. Die Menschen hungern, die Kinder bekommen keine Bücher sondern CDs in der Schule. Es gibt keine Medikamente, deine Behandlung im Krankenhaus musst du voraus zahlen. Merkel kommt und geht, aber unsere Sorgen und Probleme werden noch größer. Solche Besuche brauchen wir nicht."

Völlig zurecht prangerten viele der Demonstranten die Hetzberichterstattung in Deutschland gegen das griechische Volk an, wie sie insbesondere von der "Bild"-Zeitung hemmungslos betrieben wird. Auftritte, in denen das heutige, imperialistische Deutschland aber mit dem Hitler-Faschismus gleichgesetzt werden, vertiefen die Spaltung. Einzelne Provokationen nutzte nach dem Ende der Demonstration die Polizei, um mit Tränengas und Gummiknüppeln ihre vermeintliche Übermacht zu demonstrieren. Da saß Merkel schon wieder im Flieger für die Rückreise, nachdem sie nochmals ihre "Hilfsbereitschaft für Griechenland" bekräftigt hatte...

Ein griechischer Stahlarbeiter aus dem neun Monate lang bestreikten Stahlwerk Aspropirgos sagt dazu zu "rf-news": "Wenn Hilfe, dann haben wir die von den deutschen Arbeiterinnen und Arbeitern erfahren. Eure Spenden wurden letzte Woche an die Stahlarbeiterfamilien verteilt. Solche Hilfe und solche Besuche sind bei uns willkommen, aber nicht die Merkel, die uns noch die nackte Haut abziehen will."