International
Ägypten: Massenkampf gegen drohende Errichtung einer islamistisch-faschistischen Diktatur
04.12.12 - Hunderttausende Ägypter demonstrieren seit Tagen gegen einen neuen Verfassungsentwurf. Ägyptens Staatspräsident Mursi und seine Hintermänner wollen ihn im Schnellverfahren durchpeitschen. Die von Muslimbrüdern und Salafisten beherrschte Verfassunggebende Versammlung will den Islam zur Grundlage der Gesellschaft und des Staates machen und offen reaktionäre faschistische Maßnahmen verankern. Mit der neuen Verfassung soll eine islamistisch-faschistische Diktatur sanktioniert werden. Die reaktionären Prinzipien der Scharia werden als "die wichtigste Quelle der Gesetzgebung" bestimmt und erkämpfte demokratische Rechte und Freiheiten außer Kraft gesetzt. Die Scharia ist extrem frauenfeindlich.
Die Aufstandsbewegung für Freiheit und Demokratie hatte ihren Ausgangspunkt 2010/2011 in Tunesien und Ägypten und erfasste die gesamten nordafrikanischen und arabischen Länder. In Ägypten hatten die Volksmassen das von den westlichen Imperialisten ausgehaltene und verhasste Mubarak-Regime gestürzt. Sie erkämpften sich einige bürgerlich-demokratische Rechte und Freiheiten, auch wenn der ganze Staats- und Gewaltapparat unangetastet blieb. Die USA und die EU mussten sich eine neue Stütze im Land suchen.
Für das allein herrschende internationale Finanzkapital ist Ägypten als zweitstärkste Wirtschaftsmacht in Afrika, mit seiner geostrategischen Bedeutung durch den Suezkanal, seinem politischen Einfluss in der Region ein wichtiger Faktor. Deshalb förderten die USA und EU über die Weiterzahlung von Militärhilfen und Verbindlichkeiten auch die Muslimbruderschaft. Sie war ihnen recht, um die Aufstandsbewegung einzudämmen und ihre Weiterführung zu einer antiimperialistischen Revolution zu stoppen. Die Muslimbrüder mit Staatspräsident Mursi an der Spitze haben sich anfangs den Massen gegenüber als "gemäßigt" und "demokratisch" ausgegeben und zeigen jetzt immer offener ihren reaktionären faschistischen Charakter.
Es wurde immer deutlicher, dass von ihren sozialen und demokratischen Versprechungen nichts übrig blieb. Die kleinbürgerlich-parlamentarische Denkweise verlor an Wirkung. Die Arbeiterklasse, die bereits die entscheidende Kraft für den Sturz von Mubarak war, entfaltete eine neue Streikwelle. Allein in der ersten Septemberhälfte gab es 300 Streiks. Das Mursi-Regime antwortete mit Schlägertrupps und einem Gesetz zur Einschränkung des Streikrechts. 32 Gewerkschafter wurden wegen Organisierung von Streiks angeklagt, mehrere zu Gefängnis verurteilt, gegen hunderte weitere wird ermittelt. Mit einem neuen Gesetz will Mursi jetzt Gewerkschaftsführer durch seine Gefolgsleute ersetzen.
Das mit der Aufstandsbewegung gewachsene demokratische Selbstbewusstsein lebt wieder auf. Im November gingen 23.000 Textilarbeiter in El-Mahalla, von denen bereits 2008 und 2011 der revolutionäre Funke ausgegangen ist, gegen Mursi auf die Straße. Ein Bündnis aus 29 linken Organisationen, Bewegungen und Gewerkschaften mobilisierte im Oktober für Massendemonstrationen zum Tahrir-Platz, dem zentralen Ort der Aufstandsbewegung. Vor allem viele Frauen gehen demonstrativ unverschleiert gegen die Muslimbruderschaft auf die Straße und sind zusammen mit der Jugend in den Städten ein Aktivposten im Massenkampf.
Es drückt die strategische Schwäche der Herrschenden aus, wenn sie als Reaktion darauf eine islamistisch-faschistische Diktatur errichten wollen. Es ist aber auch ein Ausdruck der Schwäche der marxistisch-leninistischen Bewegung, dass der Aufstandsbewegung für Freiheit und Demokratie weitgehend eine revolutionäre Perspektive fehlt. Den Reaktionären ist es zeitweilig gelungen, die Massen mit ihrer Demagogie und scheindemokratischen Fassade zu täuschen. Ob und wie lange ihnen das gelingt, darüber sind das allein herrschende internationale Finanzkapital und seine Regierungsvertretern äußerst unsicher. So warnt der ehemalige Arbeitsminister Al Boraj, dass "durch die Gewaltanwendung gegen streikende Arbeiter verursachte soziale Unruhe eines Tages eskalieren und zu einem Feuer werden könnte, das nicht mehr zu löschen ist".
Solidarität mit dem Kampf der Volksmassen in Ägypten gegen die drohende faschistische Gefahr und für Freiheit und Demokratie!