Politik

Antikommunistische Verleumdung des "roten Mössingen" gescheitert

27.01.13 - Am Samstag, dem 2. Februar 2013, findet in Mössingen eine Demonstration zum 80. Jahrestag des antifaschistischen Streiks von 800 Arbeiterinnen und Arbeitern statt. Die entschlossenen Hitlergegner aus der Kleinstadt bei Tübingen, die damals 4.000 Einwohner hatte, waren dem Aufruf der KPD zum Generalstreik am 31. Januar 1933 gefolgt, um sich der faschistischen Diktatur entgegenzustemmen. Zunächst versammelten sich 100 Mössinger, kommunistische, sozialdemokratische und christliche Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie marschierten zur Trikotfabrik Merz. Der Fabrikbesitzer verlangte vom Bürgermeister, auswärtige Polizeieinheiten zur Niederschlagung des Aufstands einzusetzen; der weigerte sich jedoch. Der Demonstrationszug wuchs an, die Arbeiter und Arbeiterinnen der Textilfabrik Pausa stimmten ab und schlossen sich an. Auch aus den Nachbarorten kamen Arbeiter und Handwerker dazu.

Die Demonstranten riefen "Wer Hitler wählt, wählt den Krieg" und sangen die "Internationale". Der Arbeitersportler Jakob Textor brachte am Schornstein des Pausa-Werks eine rote Flagge an, die stundenlang über Mössingen wehte. Schließlich ließen die aufgebrachten Fabrikdirektoren heizen, bis der Schornstein glühte und die Fahne Feuer fing.

Der Streik der Mössinger blieb isoliert. Am Nachmittag wurde er von der Polizei niedergeschlagen, 98 Menschen wurden vor Gericht gestellt, bei 92 lautete die Anklage "Vorbereitung zum Hochverrat in Tateinheit mit schwerem Landfriedensbruch". Erst 1955 wurde der Streik durch ein Gerichtsurteil als "aus Überzeugung geleisteter Widerstand" rehabilitiert.

Die Demonstration am 2. Februar 2013 ist ein Erfolg im Kampf gegen den modernen Antikommunismus. Einige Reaktionäre von den "Freien Wählern" wollten vor einem knappen Jahr sogar noch eine Gedenkfeier zum 80. Jahrestag mit allen Mitteln verhindern, weil zu befürchten sei, "dass es zu einer einseitigen Heroisierung der Streikenden kommt" ("Süddeutsche Zeitung", April 2012). Der Initiator der antikommunistischen Attacke, Marc Eisold, wollte eine Studie in Auftrag geben, die die "politischen Ziele der Akteure" prüfen sollte.

Waren die Mössinger Arbeiter und Arbeiterinnen etwa nicht nur gegen Hitler, sondern handelten mit einer "kommunistischen Gesinnung"? Wollten sie etwa nicht nur die brutalste Herrschaftsform des Kapitalismus verhindern, sondern dem kapitalistischen System an die Wurzel? Dann, so die Antragssteller, sei der Mössinger Widerstand nicht demokratisch und man müsse ihn – wie die faschistischen Gerichte, die damals 77 der Beteiligten ins Gefängnis brachten – auch heute noch als rechtswidrig verurteilen.

Die "Rote Fahne" schrieb dazu: "Wie reaktionär und dumm der Antikommunismus ist, offenbart sich an diesem Beispiel ganz besonders deutlich. Da hatten einige hundert Menschen den Mut zu konsequentem Widerstand gegen die brutalsten Arbeiterfeinde und Menschheitsverächter, die Europa mit imperialistischem Krieg und Terror überzogen haben – und dann kommen die antikommunistischen Oberlehrer daher und wollen ihnen eine demokratische Gesinnung absprechen: Was wäre der Menschheit erspart geblieben, wenn es damals viele ‚rote Mössingen‘ gegeben hätte!" ("Rote Fahne" 20/2012, Seite 28).

Gemeinderat, Bürgermeister, die Mitarbeiter des Mössinger Museums, Kulturwissenschaftler aus Tübingen und viele andere wandten sich gegen den antikommunistischen Vorstoß und stoppten ihn. Der Leiter des Mössinger Museums, Hermann Berner: "Historisch zu bewerten ist, was die Leute gemacht haben. Und das ist unbedingt positiv." 

Wenn der Demonstrationsaufruf zum 2. Februar 2013 eine 'Demokratisierung der Wirtschaft' fordert, ist dies angesichts der Alleinherrschaft des internationalen Finanzkapitals eine Illusion. Die Wurzeln des Faschismus kappen geht nicht ohne Beseitigung des kapitalistischen Gesellschaftssystems.

Zurecht betonen die Initiatoren der Demo: "'Illegal' wäre die damalige Aktion in Mössingen auch heute. Seit den 1950er Jahren gelten politische Streiks als rechtswidrig. … Wer … auf die Straße geht – sogar am 1.Mai, um einen Nazi-Aufmarsch zu verhindern – riskiert, eingekesselt oder wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz belangt zu werden. Nicht nur die Gewerkschaftsbewegung – alle demokratischen Bewegungen brauchen das Versammlungs-, Demonstrations- und Streikrecht wie die Luft zum Atmen."

Genossen und Freunde der MLPD aus der Region beteiligen sich an der Demonstration.

 

Lektüre-Tipps

Das lange vergriffene Buch "Da ist nirgends nichts gewesen außer hier!" wurde zum 80. Jahrestag neu aufgelegt. Talheimer-Verlag Mössingen 2012, ISBN 978-3-89376-140-1 

Willi Dickhut, "So war's damals. Tatsachenbericht eines Solinger Arbeiters 1926 bis 1948", Zitat: "Die KPD rief zum Massenstreik zur Verhinderung der faschistischen Diktatur auf. Aber es gelang nicht mehr, in letzter Minute eine feste Einheitsfront aller Arbeiter zu schaffen und eine umfassende Streikaktion auszulösen. Am nächsten Tag wurde Hitler durch Hindenburg zum Reichskanzler berufen - das war das Ende der Weimarer Republik. Die Finsternis der faschistischen Diktatur senkte sich über Deutschland!" (S. 177/178).

Die Bücher können hier bezogen werden