Politik

"Endstation 'Stuttgart 21' - bitte alle aussteigen!"

"Endstation 'Stuttgart 21' - bitte alle aussteigen!"

24.02.13 - Was sich wie die freundliche Aufforderung des Bahnpersonals an der Endhaltestelle anhört, war die Überschrift der ersten landesweiten Demonstration gegen "Stuttgart 21" im neuen Jahr. Aus ganz Baden-Württemberg waren – laut Veranstalter – 9.000 Demonstranten angereist. Der Protest erfährt momentan einen Aufschwung. Die Wochen zuvor waren mehrere Kernpunkte der Argumentation von Bahn und Befürwortern von "S21" aus Politik und Konzernzentralen für den tiefergelegten Durchgangsbahnhof aufgeflogen. Was durch den beharrlichen Widerstand der Gegner des Milliardengrabs Stück für Stück ans Licht kommt, bestätigt deren Vorhersagen.

Zuletzt platzte die Kostenlüge. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für den Weiterbau ausgesprochen, möchte aber in Zukunft keine "Kostenüberraschungen" mehr erleben. Da kann sie auch gleich bei Frau Holle um das baldige Ende des Winters bitten. Der Bahnkonzern hat im Dezember 2012 mitgeteilt, dass der Finanzrahmen für Stuttgart 21 um 1,1 Milliarden Euro auf 5,6 Milliarden Euro zuzüglich prognostizierter Risiken von 1,2 Milliarden Euro erhöht werden müsse. Den Vorschlag, der Konzern werde die dazugekommenen 1,1 Milliarden Euro selbst stemmen, hat Bahn-Technikvorstand Volker Kefer umgehend zurückgezogen. Bereits 2008 hatten Experten prognostiziert, dass "Stuttgart 21" möglicherweise 6,8 Milliarden Euro kosten werde.

Die Zusatzkosten will die Bahn auf Land und Kommunen abwälzen. 2,3 Milliarden Euro sollen vom Land Baden-Württemberg und der Region Stuttgart nachgeschoben werden. Dabei haben die Bauarbeiten noch gar nicht richtig begonnen.

Der Widerstand gegen "Stuttgart 21" richtet sich damit zunehmend gegen Bundeskanzlerin und Bundespolitik, die das unsinnige Milliardenprojekt für die Maximalprofite der Bau- und anderer Monopole auf Biegen und Brechen durchsetzen wollen, um ein Debakel für die Bundesregierung und die internationalen Monopole zu verhindern. Während der Reden wurde immer wieder "Merkel weg!" gerufen.

Die Protestbewegung gegen "Stuttgart 21" macht gegenwärtig einen Klärungsprozess durch. Auf einer Tafel bei der Demonstration war zu lesen (auf schwäbisch): "Koi Vertraua meh in … -  die Politiker, - des Parlament, - den Staat, - des System!" Die Redner erhielten dann Beifall, wenn sie klar und deutlich den sofortigen Baustopp forderten.

Ein Redner der Grünen, der die Bahn lediglich dazu aufforderte, Bauvorschriften und Genehmigungsverfahren einzuhalten, wurde ausgebuht. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat allerdings eine Beteiligung des Landes Baden-Württemberg an den Mehrkosten bisher kategorisch abgelehnt. Der SPD-Landesvorstand sieht dagegen die Möglichkeit, dass Baden-Württemberg aus einem Sondertopf "Flughafenbahnhof" eine gewisse Summe beisteuert.

Die MLPD Baden-Württemberg hatte zur Demonstration mobilisiert. Die Landesleitung hatte ein Flugblatt herausgebracht, das vor Stuttgarter Betrieben verteilt worden war. Unter der Überschrift "Stuttgart 21 – politisch vor dem Aus, doch S21 fällt nicht von alleine!" griff es einen Kernpunkt der augenblicklichen Auseinandersetzung auf: Soll man sich auf die Einsicht der Herrschenden verlassen, dass "S21" doch zu teuer und unwirtschaftlich ist und hoffen, dass das Projekt eingestellt wird – oder sollen wir den Druck erhöhen.

Die MLPD forderte bei der Demonstration unter anderem, dass die manipulierte "Volksabstimmung" vom November 2011 für ungültig erklärt und alle Verfahren gegen "S21"-Gegner eingestellt werden. Damit mit der MLPD eine revolutionäre radikal linke sozialistische Alternative auf den Wahlzetteln der Bundestagswahlen 2013 steht, wurden auf der gestrigen Demonstration in Stuttgart auch Unterschriften für die Wahlzulassung gesammelt. 

Zum Widerstand gegen "Stuttgart 21" schrieb die Landesleitung Baden-Württemberg: "Es ist wie beim Fußball. Der Gegner ist angeschlagen, da muss entschlossen nachgesetzt werden. Das Projekt stirbt nicht von selbst. Denn es geht um staatlich garantierte Profite ..." Das traf auch die Stimmung vieler Demonstrationsteilnehmer.