Umwelt

Pferde-Lasagne "für arme Menschen ganz unbedenklich"?

Pferde-Lasagne "für arme Menschen ganz unbedenklich"?
Rind steht drauf - Pferd ist drin: Die IKEA-Köttbullar (rf-foto)

27.02.13 - Der europaweite Skandal wegen Pferdefleisch in Rindfleischprodukten zieht täglich immer weitere Kreise, auch wenn das teils vom neuen Skandal mit falsch deklarierten Bio-Eiern überlagert wird. Tausende Tonnen Pferdefleisch, dessen Herkunft völlig dubios ist, wurden Tiefkühlfertigkost aus Rinder-Hack und Frikadellen untergemischt. Peinlichst bemühen sich Regierung und manche bürgerlichen Medien darum, dass es aber keinen "Gammelfleisch-Skandal" wie im Jahr 2005 geben würde. In Deutschland sind nicht nur Discounter wie Aldi, Lidl oder Netto betroffen, sondern auch Lebensmittelmärkte der gehobenen Klasse wie Edeka.

Möbelriese Ikea musste seine bei den Kunden so beliebten Hackfleischbällchen "Köttbullar" in 14 Ländern aus dem Angebot nehmen, weil Pferdefleisch gefunden wurde. Es ist nicht nur Importware betroffen, die Brandenburger Firma "Dreistern-Konserven" musste zugeben, dass ihr "Rindergulasch aus eigener Herstellung" Spuren von Pferdefleisch aufweist. Dreist behauptet die Firma, das Pferdefleisch könne durch Nutzung gemeinsamer Schlachthäuser oder Transportbehälter in das Gulasch gekommen sein.

Geht es nur darum, dass das Pferdefleisch nicht in der Inhaltsklassifizierung aufgeführt wurde und "der Kunde getäuscht" wurde? Das behaupten Bundesregierung und Behörden. Das meint auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP): "Über 800 Millionen Menschen weltweit hungern. Und auch in Deutschland gibt es leider Menschen, bei denen es finanziell eng ist, selbst für Lebensmittel. Ich finde, da können wir hier in Deutschland nicht gute Nahrungsmittel einfach wegwerfen." 

Hier wird die Kritik an der Wegwerfmentalität missbraucht, um eine menschenverachtende Diskriminierung Millionen Armer in Deutschland und weltweit zu begründen. Auch wird gleichzeitig eine Nebelkerze gezündet, nach dem Motto: Wenn Pferdefleisch auf der Verpackung stehen würde, hätte sich keiner aufgeregt. Medienberichte weisen aber darauf hin, dass enge Beziehungen zwischen den internationalen Lebensmittelmonopolen und der organisierten Kriminalität, unter anderem in Rumänien, bestehen, die kranke und nicht für die Schlachtung bestimmte Pferde europaweit in die Lebensmittelherstellung eingebracht haben.

In französischen Tiefkühlprodukten und dem Fleisch britischer Schlachtpferde wurden Antibiotika und das Schmerz- und Dopingmittel Phenylbutazon gefunden. Das Präparat hat viele unerwünschte Nebenwirkungen. Das Blutbild verändert sich. Darmblutungen entstehen. In Deutschland sind Reitpferde nicht zur Schlachtung vorgesehen. Daher dürfen kranke Tiere bis zum Schluss mit allen verfügbaren Medikamenten behandelt und später sogar medikamentös eingeschläfert werden. Bei Schlachttieren ist das alles verboten, damit keine Medikamente in die menschliche Nahrung gelangen und schädliche Nebenwirkungen auslösen.

Zur Frage, wie das Phenylbutazon in die getesteten Lebensmittel gelangen konnte, erklärt Professor Günter Klein, Leiter des Instituts für Lebensmittelqualität und Sicherheit der Tierärztlichen Hochschule Hannover: "An einer Stelle steckt sicherlich kriminelle Energie drin. Ein Versehen kann es eigentlich nicht sein, weil die Bestimmungen klar sind und auch die Dokumentation im Pferdepass erfolgen muss. Der Tierarzt muss das auch gegenzeichnen. Genau deswegen gibt es ja diesen Pferdepass, damit das nachverfolgbar ist." (Deutschlandfunk, 20.02.13)

Der Pferdefleischskandal scheint offensichtlich nur die Spitze des Eisberges zu sein. In den USA wurde aufgedeckt, dass ein Drittel des in amerikanischen Restaurants servierten oder an der Ladentheke verkauften Fischs unter einer falschen Bezeichnung angeboten wird. Das geht aus einer Studie der Artenschutz-Organisation Oceana hervor. In den USA werden Billigprodukte als Edelsorten angeboten. Hinzu kommt die Sorge, dass statt des frischen Fangfisches Arten auf den Tellern landen könnten, die mit Schwermetallen belastet sind. Laut dieser Studie mussten Gäste von Sushi-Restaurants in den USA in 74 Prozent aller untersuchten Fälle davon ausgehen, dass sie etwas anders auf dem Teller hatten als auf der Speisekarte angegeben war.

Die zynische Argumentation, dass man gefälschte oder belastete Lebensmittel an Bedürftige ausgeben könne, wird sicher auch ein Thema auf der 11. Bundesdelegiertenkonferenz der Montagsdemobewegung am kommenden Samstag, dem 2. März 2013, in Kassel sein.  Die Montagsdemonstrationen greifen seit 2004 mit der Forderung "Weg mit Hartz IV" ein Kernstück der Abwälzung der Krisenlasten auf die breiten Massen an. Die Delegierten werden in Kassel die Weichen stellen für die Aktivitäten 2013, auch für ihre 10. Berliner Herbstdemonstration gegen die Regierung. Näheres unter bundesweite-montagsdemo.com