International
Wahlen in Italien: Absage an EU-Krisenprogramme
26.02.13 - Die Ergebnisse der italienischen Parlamentswahlen, die gestern zu Ende gingen, lösen hektische Reaktionen an Börsen und Aktienmärkten und in den herrschenden Kreisen der Europäischen Union aus. "Italien wählt das Chaos", titelt das "Handelsblatt". "Die Schockwellen, die von Italien ausgehen, sind an den Finanzmärkten weltweit zu spüren." Tatsächlich sind die politischen Verhältnisse in Italien nach der Wahl noch instabiler geworden als sie schon zuvor waren.
Die Wahlergebnisse sind in erster Linie Ausdruck des Protests der Volksmassen gegen die Abwälzung der Euro- und EU-Krisenlasten auf ihren Rücken. Nach Auszählung aller Stimmen in der Nacht zum heutigen Dienstag erzielte bei der Parlamentswahl in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone kein Lager eine regierungsfähige Mehrheit.
Völlig gescheitert ist ganz offensichtlich die Politik des direkt von der EU-Bürokratie eingesetzten bisherigen Regierungschefs Mario Monti. Er – vor einigen Monaten zurück- und jetzt neu angetreten – landete weit abgeschlagen auf dem vierten Platz. Lediglich 10 Prozent der Stimmen fielen auf ihn und sein politisches Bündnis, was 18 Sitzen im Abgeordnetenhaus entspricht. Damit haben die Italiener klar ihre Ablehnung des Krisenprogramms aus Lohnkürzungen, Erhöhung des Renteneintrittsalters, Einführung der Immobiliensteuer, Erhöhung weiterer Massensteuern, Beschneidung der Bildungsausgaben und anderem mehr ausgedrückt, das Monti im Auftrag der EU durchpeitschen wollte.
Die Bewegung des ehemaligen Komikers und Bloggers Beppe Grillo wurde mit 25,55 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft und ist im Abgeordnetenhaus stärkste Einzelpartei. Grillo griff im Wahlkampf Korruption und Klüngel und insbesondere die Diktat-Politik von EU und Angela Merkel an. Von der politischen Substanz her sind die "Grillini" mit der Piratenpartei vergleichbar und erfüllen im System der kleinbürgerlichen Denkweise als Herrschaftsmethode die eines eher diffusen Protests. Dennoch zeigt sich an diesem Wahlergebnis hauptsächlich, wie sehr das Vertrauen in herkömmliche Parteien und Institutionen geschwunden ist.
Das sogenannte Mitte-Links-Bündnis um Pier Luigi Bersani hat mit 29,54 Prozent der Stimmen einen ganz knappen Vorsprung vor der rechten Allianz von Silvio Berlusconi mit 29,18 Prozent. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Regierung hatten wie andere Regierungen in der EU auf Bersani gesetzt, weil schon vorher klar war, dass mit Mario Monti in Italien keine Wahl mehr zu gewinnen war. Der durch und durch korrupte Berlusconi, den die italienische kämpferische Opposition gestürzt hatte, stemmt sich mit aller Kraft gegen Neuwahlen und strebt eine Koalition mit Bersani an. Den Wahlkampf bestritt er mit einem gigantischen Medieneinsatz und zahlreichen haltlosen Versprechungen, z.B. der sofortigen Abschaffung der Immobiliensteuer, die er aus eigener Tasche bezahlen wolle.
Der Euro verlor schon gestern knapp drei Cent gegenüber dem Dollar. In Tokio brachen die Börsenkurse ein. Im Schlepptau kam es zu überstürzten Verkäufen portugiesischer und spanischer Anleihen. Die hektischen und besorgten Reaktionen in aller Welt bringen die Besorgnis der führenden EU-Staaten vor einer weiteren Verschärfung der anhaltenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise und einem möglichen unkontrollierten Kollaps des gesamten Finanzgefüges zum Ausdruck.
Die italienischen Wahlen sind jedoch nicht die Ursache, wie heutige Politikerzitate und Pressestimmen glauben machen sollen. Die Tendenz zum Staatsbankrott hat ganz Südeuropa erfasst. Vor allem aber ist der Schwelbrand der offenen politischen Krise in Italien für die Herrschenden in Europa und weltweit eine Bedrohung. Die Massen in Italien, das haben sie vor allem durch zahlreiche ökonomische und politische Massenkämpfe in den letzten Jahren gezeigt, wollen nicht mehr in der alten Weise leben und die Regierenden bekommen die Probleme nicht in den Griff.
In ganz Europa gibt es ähnliche Entwicklungen, die die krisenhafte Daseinsweise des ganzen imperialistischen Systems zum Ausdruck bringen. Damit sich unter den Massen die Perspektive der Vorbereitung der internationalen Revolution Bahn bricht, ist die gegenseitige Unterstützung beim marxistisch-leninistischen Parteiaufbau in Europa das Wichtigste.