International
Wachsende Proteste in Zypern: "Der Kapitalismus macht uns kaputt"
20.03.13 - Die Beschlüsse der Troika aus EU, EZB und IWF zur Zwangsenteignung zypriotischer Sparer haben eine Welle der Empörung in Europa ausgelöst und zeigen, dass die EU-Krisenmanager mit Merkel und Schäuble an der Spitze entgegen ihren Beteuerungen die Euro-Krise immer weniger im Griff haben. Gestern hat das Parlament des EU-Staats Zypern mit seinen 56 Abgeordneten ohne Gegenstimme das Diktat der Troika abgelehnt. Selbst die 19 Abgeordneten der Regierungspartei haben sich unter dem Druck der breiten Empörung in der Bevölkerung enthalten.
Vor dem Parlament kam es erneut zu Protesten mit Rufen wie: "Wir sind nicht die Sklaven der EU!" Im Zentrum des Protestes steht die Troika. Empört klagte eine Frau im Fernsehen an: "Sie haben vom Sparbuch meiner kleinen Tochter 70 Euro gestohlen!" Die Menschen stellen auch mehr und mehr das System in Frage. Auf Schildern war zu lesen: "Der Kapitalismus macht uns kaputt!" Aus Angst vor der Stürmung der Banken sind diese bis mindestens Dienstag kommender Woche geschlossen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble warf im ZDF-Interview bereits die Frage auf, ob die Banken in Zypern überhaupt wieder öffnen können.
Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass die EU-Beschlüsse keineswegs gegen "russische Spekulationsgelder" oder auf Zypern geparktes "Schwarzgeld" gerichtet sind, wie immer behauptet wird. Sie kommen ausschließlich den internationalen Banken zugute – und gehen zu Lasten der Masse der Bevölkerung und ihrer Spargroschen. So wurde bekannt, dass aus Zypern allein in der Woche vor der Enteignungsmaßnahme 5,5 Milliarden Euro und seit Anfang des Jahres sogar rund 20 Milliarden an Geldeinlagen abgezogen wurden. Das Spekulationskapital wurde - nach entsprechenden Warnungen - längst in andere Länder transferiert.
Der Versuch der führenden EU-Länder, einen Ausweg aus der zunehmenden Zwickmühle der Euro-Krise zu finden, hat sie nur noch tiefer in die Bredouille gestürzt. Beim Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise Ende 2008 traten Kanzlerin Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vor die Presse und erklärten: "Die Spareinlagen der Menschen sind sicher." Der Enteignungsbeschluss für Sparguthaben untergräbt das ohnehin schwindende Vertrauen in das kapitalistische Finanzsystem weiter. Zumal viele Menschen davon ausgehen, dass am kleinen Zypern nur vorexerziert werden sollte, was auch in anderen EU-Ländern folgen soll.
Nach der Ablehnung im zypriotischen Parlament stehen die EU-Imperialisten vor der "Wahl" zwischen einer Aufstockung ihrer Geldspritzen, der Erpressung Zyperns zu weiteren drastischen Einschnitten bei den Massen oder der Entlassung des Landes in den offenen Staatsbankrott. Zypern ist nach offiziellen Erklärungen nur noch bis Mai zahlungsfähig. Averof Neofytou, stellvertretender Chef der Regierungspartei: "Wir stehen kurz vor einer ungeordneten Pleite." Auch die Versuche, die russische Regierung verstärkt in das Krisenmanagement einzubinden, sind für die EU zweischneidig. Russland versucht auf diesem Weg, seinen Einfluss auf das EU-Land zu erhöhen, was wiederum die zwischenimperialistischen Widersprüche verschärfen wird.
Obwohl Zypern nur einen Anteil von 0,2 Prozent an der Wirtschaftsleistung der EU hat, erschüttert der drohende Staatsbankrott und das scheiternde Krisenmanagement ganz Europa. Der Übergang zur Zwangsenteignung von Teilen der Massen ist aber auch eine Steilvorlage für die Widerlegung der antikommunistischen Propaganda. Ein antikommunistisches Standardargument ist bekanntlich: "Im Sozialismus wirst du enteignet". Tatsächlich ist es aber der Kapitalismus, der die Massen kurzerhand enteignet, wenn es darauf ankommt. Im Sozialismus trifft die Enteignung diejenigen, die sich heute maßlos bereichern - die internationalen Monopole und Banken. Der gesellschaftlich geschaffene Reichtum wird dann im Unterschied zu heute zum Nutzen der Gesellschaft eingesetzt.