International
Zypern rutsch tiefer in die neokoloniale Abhängigkeit
26.03.13 - In der Nacht zum Montag hat sich die zypriotische Regierung untergeordnet und mit der EU auf einen so genannten "Rettungsplan" geeinigt. So konnte ein unmittelbar drohender Staatsbankrott des 500.000 Einwohner zählenden Inselstaates zunächst abgewendet werden. Es sollen bis zu 10 Milliarden Euro an weiteren Krediten bewilligt werden. Mit den Maßnahmen rutscht das Land noch tiefer in die neokoloniale Abhängigkeit unter dem Diktat der EU-Bürokratie.
Die Forderung ausgehend von Bundesfinanzminister Schäuble, 5,8 Milliarden Euro durch Zwangsenteignung von zypriotischen Sparguthaben aufzutreiben, stieß unter den Massen europaweit auf Empörung. Sie verschärfte die latente politische Krise in der EU. Die jetzt getroffene Vereinbarung, nur Bankguthaben über 100.000 Euro um - nach neuesten Meldungen - bis zu 40 Prozent zu belangen, ist einerseits ein Zugeständnis an den Widerstand in der zypriotischen Bevölkerung. Es bedeutet gleichzeitig eine drastische Enteignung des zypriotischen Mittelstands bis in die nationale Bourgeoisie. Der Finanzsektor Zyperns wird weitgehend zerstört.
Beides hat weitreichende Rückwirkungen auf die ganze zypriotische Wirtschaft. Es wird ein Rückgang der Wirtschaft um bis zu neun Prozent allein 2013, verbunden mit weiterer Arbeitsplatzvernichtung, erwartet. Viele Zyprioten fürchten zurecht um ihre Rente, weil jetzt die Rücklagen der Rentenkassen in "Bad Banks" überführt und dort langfristig abgewickelt werden. Zudem sind bereits Steuererhöhungen, Privatisierungen und weitere Kürzungen angekündigt.
So soll der Finanzsektor bis 2018 halbiert werden. Die Laiki-Bank (Volksbank) wird zerschlagen, einen Teil übernimmt die "Bank of Cyprus". Tausende Bankangestellte sollen entlassen werden. Rund 3.000 Beschäftigte demonstrierten am Sonntag bereits dagegen. In Nikosia fanden am Montag erneut wütende Protestdemonstrationen gegen das EU-Diktat statt.
Das internationale Finanzkapital und die Superreichen trifft die Zwangsabgabe kaum. Sie haben schon vor Wochen begonnen, Kapital zu verlagern. Seit Anfang 2013 sind 20 Milliarden Euro aus Zypern abgezogen worden. Scheinheilig gibt sich Kanzlerin Merkel mit der Vereinbarung zufrieden und erklärt: "Es nimmt diejenigen, die die Fehlentwicklung zu verantworten haben, mit in die Haftung."
Tatsächlich kommt der Rettungsplan allein dem internationalen Finanzkapital zugute. In seine Taschen wandert das gesamte Rettungspaket der Europäischen Zentralbank (EZB) von bis zu 10 Milliarden Euro und die über 5 Milliarden Euro aus Zypern praktisch zum Nulltarif. Die hohe Zinsen für die EZB-Kredite trägt die zypriotische Staatsbank. Die Verschuldung Zyperns steigt dadurch auf 140 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Der Staatsbankrott ist nur zeitlich aufgeschoben.
Die verstärkte Abhängigkeit Zyperns ermöglicht den Imperialisten zudem besseren Zugriff auf die riesigen Erdgas- und Ölvorkommen, die im Mittelmeer vor Zypern gefunden wurden. Die Gasvorkommen in der zypriotischen Wirtschaftszone werden auf mindestens 1,8 Billionen Kubikmeter geschätzt. Die "Royal Bank of Scotland" beziffert den Marktwert dieser Gas- und Ölvorkommen auf "mehr als 600 Milliarden Euro".
Zypern hat auch eine militärstrategisch Bedeutung für die Beherrschung des Nahen Ostens. In Akrotiri und Dekelia sind zwei insgesamt 250 Quadratkilometer große britische Militärbasen. Von dort starteten NATO-Kampfflugzeuge beim imperialistischen Überfall auf Libyen. Russland versucht, seine jetzt zugesagten finanzielle Hilfen an die Errichtung eines Marinehafens auf Zypern zu binden, um seinen Einfluss im Mittelmeer auszubauen. Die "Zypern-Krise" als Teil der EU-Krise ist keinesfalls gelöst, die Widersprüche zwischen den Imperialisten verschärfen sich.
Die Nervosität der europäischen Krisenmanager ist groß. Zunächst bis Donnerstag bleiben Zyperns Banken weiter geschlossen. Vor allem fürchtet man, dass von Zypern ein Botschaft an ganz Europa ausgeht: Weder eure Renten, noch eure Spareinlagen sind sicher. Dann könnte Zypern nach Griechenland ein weiteres Signal für einen europaweiten Massenwiderstand werden.