Politik

Erste Zeugenaussagen im NSU-Prozess

Erste Zeugenaussagen im NSU-Prozess
Demo zum Prozessauftakt am 13. April (foto: linksfraktion)

05.06.13 - Fast einen Monat nach der Eröffnung des Prozesses gegen die faschistische Killerbande, NSU, wurde gestern der erste Zeuge, Carsten Schultze, verhört. So lange hatten die Verteidiger der Mitglieder und Unterstützer des NSU mit Befangenheitsanträgen und Eingaben den eigentlichen Prozessbeginn hinausgezögert. In der gestrigen Vernehmung wiederholte Schultze sein zuvor schon bei der Polizei abgelegtes Geständnis, dass er den beiden Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Waffe persönlich beschafft und übergeben hat. Mit dieser Waffe wurden zwischen 2000 und 2006 neun Menschen türkischer, bzw. griechischer Herkunft und eine Polizistin hingerichtet.

Auch mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe stand Schultze im Kontakt. Er stellt sich heute als Aussteiger aus der neofaschistischen Szene dar, und will nicht geahnt haben, wofür die von ihm beschaffte Mordwaffe eingesetzt wurde. Bereits 1999 hatte der heute 33-Jährige eine politische Karriere bei der NPD, deren Jugendorganisation JN, in der militanten Thüringer Kameradschaft usw. gemacht. Interessant an seinen bisherigen Ausführungen ist, dass er die aktive und führende Rolle des nur als "Unterstützer" angeklagten Ralf Wohlleben sehr konkret bezeugte.

Damit kommt ein weiterer Mosaikstein gegen die Legende vor Gericht, es habe sich "nur" um ein "mörderisches Trio" gehandelt, das aus Dummheit und wegen einer "Pannenserie" bei Polizei und Verfassungsschutz nicht früher entdeckt werden konnte.

Ralf Wohlleben, gelernter Fachinformatiker, ist seit Mitte der 1990er Jahre eine Schlüsselfigur der Neofaschisten in Deutschland und einschlägig vorbestraft. Mehrfach kandidierte er für die NPD, führte das Neonazi-Netzwerk Thüringer Heimatschutz an, ist Aktivist des internationalen Neonazi-Musiknetzwerks "Blood and Honour". Über deren Konzerte sammelte er Spenden für das untergetauchte Trio.

Auch mit dem Anführer der faschistischen "Wehrsportgruppe Hoffmann2, Karl-Heinz Hoffmann, pflegte Wohlleben Beziehungen. Dieser wiederum wird immer wieder als einer der Hintermänner des Oktoberfestanschlags genannt, bei dem 1980 13 Menschen ums Leben kamen und über 200 zum Teil schwer verletzt wurden. Von hier wiederum führt die Spur zu ähnlichen Anschlägen in Italien, die der paramilitärischen Geheimorganisation Gladio zugeschrieben werden.

Wohllebens Anwältin im gegenwärtigen Prozess ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Nicole Schneiders ist nachweislich seit 19 Jahren Aktivistin neofaschistischer Banden in Deutschland, baute mit ihrem heutigen Mandanten Wohlleben in Jena den Kreisverband der NPD auf, deren stellvertretende Vorsitzende sie zeitweise war. Nach ihrem Jura-Studium betätigte sie sich als "Rechtsberaterin" der Neonazis. Sowohl Wohlleben als auch Schneiders wurden vom Verfassungsschutz als Zuträger angeworben – angeblich ohne Erfolg.

Nicht nur von den Angehörigen der Opfer und in Deutschland, sondern weltweit wird der Prozess mit Spannung verfolgt. Die Frage der Verstrickung staatlicher Stellen wird in den Medien anderer Länder zum Teil viel eindeutiger diskutiert. Die MLPD hat zur NSU-Mordserie und ihren Hintergründen eine internationale Information an ihre über 800 internationalen Beziehungen verschickt.

Die "Rote Fahne" 12/2013 hatte ein Schwerpunktthema zu NSU "Faschistischer Terror - von staatlichen Stellen gefördert?". Sie kann bestellt werden bei vertrieb@neuerweg.de oder rotefahne@mlpd.de.