International
Griechenland stellt staatlichen Rundfunk ab
12.06.13 - Seit der Nacht auf heute gibt es in Griechenland keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr. In einem in Europa bisher einmaligen Vorgang hat die Regierung in der Nacht zum Montag handstreichartig die Ausstrahlung des staatlichen Senders ERT - sowohl Radio als auch Fernsehen - beendet. 2.900 Techniker, Angestellte und Journalisten verlieren ihre Arbeit. Regierungssprecher Simos Kedikoglou erklärt: "Es kann keine heiligen Kühe geben, die nicht geschlachtet werden können, wenn überall gespart wird." Die Beschäftigten leisten Widerstand.
Die Gewerkschaft der Staatsbediensteten (ADEDY) ruft ihre Mitglieder zum Widerstand auf. Der Verband der griechischen Journalisten kündigt einen Streik an. Die Angestellten versammelten sich vor dem Zentralgebäude des Rundfunks in der Athener Vorstadt und besetzten den Sender. Zu Redaktionsschluss sendeten sie in eigener Sache. Zumindest im Internet z.B. über "usteam.tv" sind die Kollegen bis auf Weiteres zu empfangen. Der spanische öffentlich-rechtliche Rundfunk RTVE hat ebenfalls einen Livestream für die griechischen Kollegen eingerichtet. Tausende Athener versammelten sich aus Protest gegen die Schließung.
Die Einstellung des Sendebetriebs erfolgt zum 75. Geburtstag des griechischen staatlichen Rundfunk. Es startete sein Programm 1938. Geschlossen wurden drei landesweit ausgestrahlten Fernsehprogramme, sieben landesweite Radioprogramme und 19 regionale Radiosender. Die Regierung kündigte an, ein Konzept für einen verkleinerten staatlichen Rundfunk mit rund 1.000 Mitarbeitern auszuarbeiten.
Die Regierung behauptet, ERT betreibe eine "unglaubliche Verschwendung" mit Kosten von 300 Millionen Euro im Jahr und siebenmal mehr Personal als vergleichbare Anstalten. Eine glatte Lüge, wenn man sich zum Beispiel Personal und Budget der ARD anschaut. Allein der Bayerische Rundfunk verfügt über 2.893 Planstellen und ein Budget von einer Milliarde Euro. Die ARD insgesamt hat 23.000 fest angestellte Mitarbeiter und ihre neun Anstalten verfügen über 6,3 Milliarden Euro.
Die Schließung erfolgte ohne gesetzliche Grundlage durch einen Ministerialerlass, den nur die Minister der größten Regierungspartei Nea Dimokratia unterzeichnet haben. Die kleineren Regierungsparteien PASOK und Demokratische Linke erklärten, ihre Minister hätten das Gesetz nicht unterzeichnet. Syriza, das Bündnis der radikale Linken, an dem auch die griechische ICOR-Organisation KOE mitarbeitet, solidarisiert sich mit den Beschäftigten. Eine Stellungnahme des Syriza-Vorsitzenden Alexis Tsipras wurde aus dem besetzten Gebäude gesendet.
Die Entlassungen laufen im Rahmen des EU-Diktats, das Voraussetzung für die Gewährung von Krediten war. Es sieht vor, dass Griechenland bis Ende 2013 rund 4.000 Beschäftigte entlässt und nächstes Jahr noch einmal 15.000. Derzeit befindet sich die berüchtigte Troika aus EU, europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) wieder einmal im Land, um die Einhaltung des Diktats zu kontrollieren.