Umwelt
Merkel verhindert Abstimmung über CO2-Grenzwerte: Kampfansage an die Arbeiter- und Umweltbewegung
29.06.13 - Am Donnerstag war in Brüssel eine Abstimmung der Botschafter der 27 EU-Mitgliedsstaaten geplant. Zur Beschlussfassung stand eine gemeinsame Vorlage von EU-Parlament und EU-Kommission. Darin sollten die CO2-Auflagen für die europäische Automobilindustrie über das Jahr 2020 hinaus und die Begrenzung sogenannter "Erleichterungen" für die Autobauer geregelt werden. Diese Abstimmung wurde auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel von der Tagesordnung genommen und auf unbestimmte Zeit verschoben. Man habe erst kurzfristig von dem ausgehandelten Kompromiss erfahren, die deutsche Autoindustrie brauche Zeit, könne keine 'überzogenen' Umweltauflagen erfüllen, schließlich sei sie der Wachstumsmotor Europas.
Tatsächlich lagen die Vorschläge seit langem auf dem Tisch. Sie stellen außerdem alles andere als eine Revolution in Richtung Klimaschutz dar. Eine Überlegung geht dahin, dass es auch für die Jahre nach 2020 Festlegungen über CO2-Grenzwerte bei Neuwagen geben sollte. Der Grenzwert für den Treibhausgas-Ausstoß – dies wurde bereits im vorigen Jahr ausgehandelt - soll von 2015 bis 2020 von 130 Gramm Kohlendioxid je Kilometer im Durchschnitt aller europäischen Neuwagen auf 95 Gramm sinken. Ferner sollte die Geltungsdauer von "Supercredits" 2023 enden. Die Supercredits sind genauso reine Mogelpackungen wie der Emissionshandel. Demnach können sich Autohersteller mit Hilfe von Boni für Elektroautos oder andere schadstoffarme Fahrzeuge diese gleich mehrfach für ihre sogenannte Klimabilanz anrechnen lassen. Ihre anderen Autos dürfen dann weiterhin als Dreckschleudern durch die Gegend fahren.
Aber selbst diese angesichts der heraufziehenden Klimakatastrophe völlig unzureichenden und unernsthaften Maßnahmen bringen die deutschen Automonopole auf die Palme. Ihr Ansinnen geht dahin, nicht nur neue Umweltschutzauflagen zu verhindern, sondern bisherige über Bord zu werfen. Dies geht u.a. aus einem Brief hervor, den der Präsident des Verbands Deutscher Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissman - in der Kohl-Regierung war er Verkehrsminister - an die "Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela" im Mai 2013 geschrieben hat. Darin fordert er eine deutlich höhere Anrechnung von Elektroautos und sogenannten Plug-in Hybriden auf die Klimabilanz der deutschen Automobilhersteller.
Der Hintergrund für den öffentlichen Schlagabtausch auf dem EU-Gipfel ist der verschärfte Konkurrenzkampf unter den Autokonzernen Europas in der anhaltenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Die großen deutschen Premiumhersteller Audi, BMW und Mercedes fürchten eine Begünstigung von Fiat, PSA Peugeot Citroën oder Renault mit ihren kleineren Modellen.
Merkels Vorstoß als besonders willfährige Dienerin der Automobilmonopole ist eine offene Kampfansage an die Arbeiter- und Umweltbewegung. Ihre Argumentation, "hier geht es schließlich um Beschäftigung", ist pure Heuchelei. Weder der Erhalt von Arbeitsplätzen noch die Rettung der Umwelt interessieren Frau Merkel und den VDA - es geht einzig und allein um Maximalprofite und eine weltmarktbeherrschende Stellung der Auto-Übermonopole. Massive Arbeitsplatzvernichtung wie bei Opel soll einhergehen mit nicht weniger massivem Abbau von Umweltstandards.
Der 7. Internationale Automobilarbeiterratschlag 2012 rief dazu auf: "... den Kampf um jeden Arbeitsplatz mit dem Kampf für zukunftsfähige und umweltschonende Technologien zu verbinden. Arbeiterbewegung und Umweltbewegung sind herausgefordert an diesen Kämpfen eine fruchtbare gegenseitige Unterstützung und Solidarität zu entwickeln."
Die technischen Voraussetzungen für eine Produktion im Einklang mit der Natur sind längst herangereift. Beispielsweise könnte die Umstellung auf umweltfreundliche öffentliche Verkehrssysteme, Elektro- und Wasserstoffautos, Wasserstoffflugzeuge und eine 100% erneuerbare Energieversorgung heute innerhalb von wenigen Jahren verwirklicht werden. Es ist die kapitalistische Profitwirtschaft, die sich dem entgegenstemmt - dieser Hemmschuh ist es, der beseitigt werden muss!