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Ägypten: Neue Verfassung angenommen - Kampf für Freiheit und Demokratie geht weiter
16.01.14 - Bei einer Volksabstimmung in Ägypten haben nach Berichten der staatlichen ägyptischen Medien 90 Prozent der Wähler für die von der Militärregierung neu vorgelegte Verfassung gestimmt. Von den 53 Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich an dem Referendum nach Schätzungen von Beobachtern etwa 40 bis 50 Prozent. Damit liegt die Wahlbeteiligung allerdings höher als beim letzten Verfassungsreferendum unter Mursi im Jahr 2012, bei dem nur 33 Prozent ihre Stimme abgaben.
Nicht nur die Anhänger des gestürzten Ex-Präsidenten Mursi, sondern auch Gegner der jetzt amtierenden Militärregierung sowie Aktivisten und Anhänger der demokratischen Massenbewegung blieben dem Urnengang fern. "Keiner von den Leuten, die von uns gewählt werden wollen, interessiert sich für das Wohl des Landes - weder die Muslimbrüder, noch irgendein anderer", so drückt ein Mann in Kairo die Stimmung vieler Nichtwähler aus. Die Lebensbedingungen der allermeisten Menschen haben sich in den letzten Monaten weiter verschlechtert. Die Wirtschaftsentwicklung stagniert, Arbeitslosigkeit und Armut nehmen zu.
Die Absetzung Mursis durch das ägyptische Militär war in erster Linie ein Zugeständnis an die bisher breitesten Massenproteste in Ägypten. Anfang Juli 2013 hatten sich 37 Millionen Menschen an der größten Demonstration zum Sturz der islamisch-faschistischen Mursi-Regierung beteiligt. Inzwischen schränkt die neue Militärregierung die nach Mubaraks Sturz erkämpften bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten schrittweise wieder ein. Sie hat ein Anti-Demonstrations-Gesetz erlassen, das allen Menschen hohe Geld- und Haftstrafen androht, die gegen die Regierung auf die Straße gehen. Kritiker der Militärregierung werden zunehmend als Unterstützer von Terroristen stigmatisiert und dämonisiert. Gegner der neuen Verfassung wurden schon im Vorfeld verhaftet und drangsaliert.
Mit der neuen Verfassung sollen unter den Massen auch kleinbürgerlich-parlamentarische Illusionen gestärkt werden. Sie wird als Errungenschaft der demokratischen Massenbewegung verkauft, weil einige neue Bürgerrechte aufgenommen und islamistische Passagen der Mursi-Verfassung beseitigt wurden. So soll die Benachteiligung auf der Grundlage von Geschlecht, Rasse oder Religion nun strafrechtlich verfolgt werden. Es mangelt aber an institutionellen Garantien für diese Grundrechte.
Willkürliche Maßnahmen von Armee, Justiz und Polizei werden durch die jetzige Verfassung noch umfassender ermöglicht. Die berüchtigte Militärjustiz hat weiterhin das Recht, Verfahren gegen Regimekritiker zu führen und willkürliche Urteile zu fällen. Letztlich zielen die neue Verfassung und die auf ihrer Grundlage geplanten Wahlen darauf ab, eine Höherentwicklung der demokratischen Massenbewegung zur antiimperialistisch-demokratischen Revolution zu verhindern.
Das ist auch im Interesse des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals und der mit der Militärregierung eng kooperierenden imperialistischen Länder. Die Offiziere des Regimes sind praktisch alle von der US-Armee ausgebildet und der ganze Militärapparat hängt mit 1,3 Milliarden US-Dollar jährlich am Tropf der USA. Der Oberkommandierende der ägyptischen Streitkräfte, al-Sisi, machte mit Hazem al-Beblawi einen international erfahrenen Bankmanager zum Ministerpräsidenten.
Die ägyptischen Massen müssen mit noch vorhandenen Illusionen in eine vermeintlich "fortschrittliche Rolle" des Militärs und mit den parlamentarischen Betrugsmanövern fertig werden. Weder die neue Verfassung noch eine auf dieser Grundlage gewählte Regierung ändern etwas Grundlegendes für die Massen. Wirkliche gesellschaftliche Änderungen können nur durch eine antiimperialistische Revolution mit sozialistischer Perspektive erkämpft werden.