Politik
Alice Schwarzer: eine moralische Instanz?
04.03.14 - Die Meldung sorgte für ein ordentliches Rauschen im bürgerlichen Blätterdschungel: Alice Schwarzer hatte seit den 1980er Jahren ein geheimes Konto in der Schweiz, für das sie jahrzehntelang keine Steuern bezahlt hat! Ein klassischer Fall von Steuerhinterziehung. Nach ihrer Selbstanzeige zahlte sie immerhin die stolze Summe von 200.000 Euro nach, der Rest ist verjährt. Hier steht eine als Ertappte da, die seit Jahren als eine der führenden moralischen Instanzen in Deutschland gilt - und in den letzten Jahren auch von den bürgerlichen Medien dazu gemacht wurde.
Alice Schwarzer ist bekannt dafür, ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen. Vor 37 Jahren gründete sie die frauenpolitische Zeitschrift "Emma", die sie bis heute leitet. Damals legte sie mutig den Finger in offene frauenpolitische Wunden. Sie war eine derjenigen, die den Anliegen der Frauen eine Stimme gab. Dabei brachte sie fortschrittliche Themen, wie eine Forderung des Verbots von Prostitution oder das Recht der Frauen auf Schwangerschaftsabbruch und den Kampf gegen den § 218 in die Debatte ein.
Doch sie ließ sich über die Jahre mehr und mehr ins kapitalistische System und den bürgerlichen Mainstream einbinden. Das gipfelte in ihrer aktiven Unterstützung für Angela Merkel während des Bundestagswahlkampfs ebenso wie in ihrer Forderung, den Frauentag "wegen seiner sozialistischen Wurzeln" abzuschaffen. Der Dank blieb nicht aus und ihr Frauenarchiv wird heute durch das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gesponsert. Dieses wurde seinerzeit von der verbohrten Antikommunistin Kristina Schröder (CDU) geleitet. Weiterhin durfte sie als CDU-Wahlfrau mithelfen, den antikommunistischen Prediger Joachim Gauck ins Bundespräsidentenamt zu hieven. Sie erhielt zweimal das Bundesverdienstkreuz etc.
Dabei entwickelte sie zunehmend einen Stil, sich als moralische Instanz zu inszenieren. So wenn sie den Fall "Kachelmann" für die Bild-Zeitung beobachtete. Ein Verhalten, dass jetzt voll auf sie durchschlägt. Neben der völlig berechtigten Kritik hagelt es nun auch reichlich Spott und Häme aus allerlei patriarchaler Kehle. Egal ob sich in diversen Talkshows bürgerliche Monopolpolitiker über Schwarzer mokieren dürfen, ob die "taz" über Schwarzer herfällt oder bei "Twitter" unter dem Hashtag "Schwarzer" über sie hergezogen wird, offensichtlich ist für einige, denen die Emma-Herausgeberin in den letzten Jahrzehnten auf die Zehen getreten ist, jetzt der Zeitpunkt der Abrechnung gekommen.
Gegen dieses ätzende Kreuzfeuer gilt es genauso Stellung zu beziehen, wie gegen Frau Schwarzers Behauptung, ihr Verhalten sei inzwischen "legal". Tatsächlich können Steuerhinterzieher in Deutschland ihre Unterschlagung durch Selbstanzeige nachträglich legalisieren. Diese kapitalistische Moral hängt allerdings Millionen Menschen zum Hals heraus. Mit Sätzen wie: "Ich gehöre nicht zu den Tausenden, die Schwarzgeld in der Schweiz haben, das bis heute nicht versteuert ist. Meine Steuern sind gezahlt", zeigt Schwarzer schon ein etwas verdrehtes Bild der Wirklichkeit.
Alice Schwarzer erweist sich damit als Musterbeispiel der Integration des kleinbürgerlichen Feminismus in das gesellschaftliche System der kleinbürgerlichen Denkweise. In ihrem Fall mit aller Konsequenz bis zu ekligen Gepflogenheiten wie der egoistischen Steuerhinterziehung.
Für die Masse der Frauen und Männer ist Schwarzers Fall allerdings kein Grund nachzulassen im Kampf gegen die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der Frauen. Im Gegenteil!