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Ukraine: Wie weiter nach Janukowitsch?
23.02.14 - Das ukrainische Parlament erklärte gestern den Regierungschef Viktor Janukowitsch für abgesetzt und ordnete Neuwahlen an, die am 25. Mai 2014 stattfinden sollen, dem Tag der Europawahl. Janukowitsch, der bis zu diesem Zeitpunkt einen Rücktritt kategorisch ausgeschlossen hatte, hat Kiew verlassen, ist aber offenbar noch in der Ukraine. Gleichzeitig wurde die gleichfalls reaktionäre Oppositionspolitikerin Julija Timoschenko aus der Haft entlassen.
Sie eilte sofort nach Kiew, brachte auf dem Maidan ihren Führungsanspruch zum Ausdruck und forderte die Demonstranten auf, für den Pro-EU-Kurs zu kämpfen. Sie sei sicher, dass die Ukraine in naher Zukunft der EU beitreten werde. Unter den Massen ist Timoschenko nicht wesentlich beliebter als Janukowitsch. Sie hat sich in ihrer Zeit als ukrainische Ministerpräsidentin 2005 und von 2007 bis 2010 extrem bereichert und ein Privatvermögen von über 100 Millionen Euro angehäuft.
Unverzüglich melden sich die verschiedenen imperialistischen Kräfte zu Wort. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, Timoschenko trage nun "große Verantwortung für die Zukunft ihres Landes". Gleichzeitig lobte er die Rolle Russlands bei den Verhandlungen mit Janukowitsch und der Opposition.
Die Ratingagentur Standard & Poor's hatte am Freitag die Pleite der Ukraine vorhergesagt. Die EU stehe für eine finanzielle Unterstützung bereit, sobald es eine "politische Lösung" des Konflikts und eine neue Regierung gebe, sagte Wirtschaftskommissar Olli Rehn am Sonntag am Rande des G20-Finanzministertreffens in Sydney. Auch die USA stünden zur Unterstützung bereit, "um die wirtschaftliche Stabilität wieder herzustellen", sagte ein US-Regierungsbeamter in Sydney.
Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, erklärte: "Wenn die ukrainischen Behörden sich an den IWF wenden, sei es mit der Bitte um Beratung, sei es wegen Diskussionen über finanzielle Hilfen, gekoppelt an Wirtschaftsreformen, stehen wir dem offen gegenüber." Genau diese drakonischen IWF-Forderungen waren aber einer der Auslöser des Massenunmuts.
Sogar die NATO streckt ihre Krallen nach der Ukraine aus. Ihr Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärt: "Wenn die Vereinbarung mit positiven Ergebnissen umgesetzt wird, könnte die NATO bereit sein, ihre Beziehungen zur Ukraine zu intensivieren."
Russland hingegen hat seine Finanzhilfen für die Ukraine gestoppt. Die russische Regierung war am Freitag an den Verhandlungen mit der reaktionären ukrainischen Opposition, Janukowitsch und der EU beteiligt. Sie protestiert jetzt auf Schärfste dagegen, dass in der Ukraine offenbar die Pro-EU-Kräfte das Ruder übernehmen.
In der Ukraine leben viele Menschen in Armut. 37,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gehört laut Forbes den 100 reichsten Oligarchen. Rinat Achmetow mit einem Vermögen von über 15 Milliarden Euro gilt als einer der wichtigsten Sponsoren der "Partei der Regionen" von Janukowitsch, 40 Abgeordnete des Parlaments sind von ihm abhängig. Der wichtige Fernsehsender "Ukraina" gehört auch ihm. Oligarch Dmitri Firtasch hat fast ebensoviele Abgeordnete unter Kontrolle, ihm gehört der Sender "Inter".
Die faschistische Partei "Swoboda" wurde 1991 gegründet - noch unter dem Namen "Sozial-Nationale Partei der Ukraine". Sie hat enge Kontakte zum französischen faschistischen "Front National" und zur NPD. Antikommunismus, aggressiver Nationalismus und Antisemitismus sind ihre Triebfedern. Als "Swoboda" tarnte sie sich mit einem nicht so offen aggressiven Anstrich und nahm scheinbar gegen die Großbourgeoisie Stellung. Parteichef Oleh Tiagnibok wird auch von der EU als Verhandlungspartner akzeptiert. Das Parlament ernannte am Samstag Oleh Makhnitskyi von "Swoboda" zum Generalstaatsanwalt.
Wohin werden jetzt die Massen jetzt gehen? Die Forderung nach der Ablösung von Janukowitsch ist nach wochenlangen Protesten erfüllt, die der Bestrafung der Verantwortlichen für die Todesschüsse nicht. Aber die sozialen Fragen werden von der Großbourgeoisie niemals gelöst werden. Alle an der Spitze stehenden bürgerlichen Parteien sind korrupt, werden aber große Versprechen machen. Die EU verlangt drastische "Reformen", also ein Krisenprogramm auf Kosten der breiten Massen. Die Tragödie der Proteste ist, dass sie weitgehend unter der Führung reaktionärer bürgerlichen Kräfte blieben. Auch wenn es zuletzt Berichte von einer wachsenden Beteiligung auch fortschrittlicher Kräfte gab.
Die ICOR-Organisation "Koordinierungsrat der Arbeiterbewegung" (KSRD) leistet eine Kleinarbeit und Aufklärungsarbeit unter den Demonstranten, um sie dafür zu gewinnen, den Kampf gegen jegliche imperialistische Einmischung aufzunehmen. Sie befindet sich aber noch im Aufbau. Die Entwicklung unterstreicht, dass es zur Verbesserung der sozialen und politischen Lage nicht reicht, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, sondern revolutionäre und marxistisch-leninistische Kräfte gestärkt werden müssen. Dieser Kampf muss in der Ukraine jetzt unter neuen Bedingungen weitergehen. "rf-news" und die Printausgabe der "Roten Fahne" werden weiter berichten.