International
Kommunalwahlen in der Türkei und Frankreich - es fehlt eine starke revolutionäre Alternative
31.03.14 - In drei europäischen Ländern fanden am Wochenende Wahlen statt - mit teilweise überraschendem Ausgang. In der Türkei und in Frankreich Kommunalwahlen, in der Slowakei die Präsidentschaftswahl. In der Türkei ließ sich der amtierende reaktionär-islamistische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit pompösem Jubel zum Wahlsieger erklären. Seine islamistische AKP-Partei hat nach Angaben von "Firat News" in 48 von bisher 78 ausgezählten Provinzen der Türkei die Mehrheit gewonnen. Nach Auszählung von 98 Prozent der abgegebenen Stimmen kam sie laut "tagesschau.de" landesweit auf 45,5 Prozent. Das ist laut "Deutsche Welle" ein Zuwachs von rund vier Prozent im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2009.
Überschattet wurden die Wahlen von Unregelmäßigkeiten. Dazu Süleyman Gürcan, Sprecher der "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIF): "Bei der Wahl hat sich noch einmal gezeigt, wie korrupt das Regime ist. Es hat Stimmfälschungen gegeben. Zum Beispiel wurden 180 Millionen Stimmzettel gedruckt - Teilnehmen durften aber nur 58 Millionen Wähler. Die Wahlbeobachter wurden von Schlägertrupps angegriffen. So viel ich weiß, gab es zwischen sechs und acht Tote bei diesen Angriffen."
Was mögliche Wahlmanipulationen betrifft, ist noch längst nicht alles auf dem Tisch. Weitere Enthüllungen darüber würden sicher auf massive Proteste stoßen. Sollte sich das bisherige Wahlergebnis bestätigen, hat die AKP vor allem in den großen Industriezentren erheblich an Stimmen verloren, in den ländlichen Gebieten dagegen zugelegt. Diese Tendenz wird durch eine Umstrukturierung der Wahlbezirke noch verstärkt, die Erdogan eigens dazu durchgesetzt hat. Nicht zuletzt gelang es Erdogan auch mit seiner islamistisch-nationalistischen Demagogie erneut eine Masse religiöser Anhänger zu mobilisieren.
Das verstärkt die Polarisierung unter den Massen in der Türkei weiter. Von den Wählern, die der AKP den Rücken zuwandten, wanderte ein Teil auch zur faschistischen MHP-Partei. Auf der anderen Seite konnte die kurdische Partei für Freiheit und Demokratie (BDP) erheblich an Stimmen zulegen. Sie hat laut "Firat News" in elf Provinzen in den kurdischen Gebieten gewonnen, aber auch in der gesamten Türkei - nicht nur unter der kurdischen Bevölkerung. "Die fortschrittlichen und revolutionären Kräfte sind zusammen mit der BDP angetreten und haben dazugewonnen. Unter anderem ging die Stadt Dersim nicht an die republikanische CHP, sondern an die BDP. Das ist ein wichtiger Erfolg", so Süleyman Gürcan.
Die Wahlen haben gezeigt, in welchen Spannungen die Türkei als neoimperialistisches Land zur Zeit steckt. Einerseits lehnen viele Türken den reaktionär-islamistischen Kurs des Erdogan-Regimes ab und gehen für Freiheit und Demokratie auf die Straße. Außerdem war das Erdogan-Regime in einen massiven Korruptionsskandal im Vorfeld der Wahlen verstrickt. Andererseits ist es Erdogan gelungen, mit diversen Erfolgen in seiner Amtszeit diese Widersprüche so weit zu dämpfen, dass es für einen erneuten Wahlsieg bei den Kommunalwahlen gereicht hat. Der Konflikt schwelt jedoch trotz Erdogans markiger Worte weiter und kann wieder ausbrechen. Entsprechend rechnen regierungskritische Organisationen wie ATIF damit, dass es nach der Wahl zu verstärkten Repressionen des Regimes gegen fortschrittliche und revolutionäre Kräfte kommen wird.
In Frankreich hat die regierende sozialdemokratische "Sozialistische Partei" von Ministerpräsident Francois Hollande schwere Verluste hinnehmen müssen. Sie bekam einen offensichtlichen Denkzettel für ihre Politik der Abwälzung der Krisenlasten und verlor laut "tagesschau.de" mindestens 155 Rathäuser in Kommunen mit mehr als 9.000 Einwohnern. Die reaktionäre "Oppositionspartei" UMP gewann nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte aller Städte mit mehr als 9.000 Einwohnern.
Die faschistoide "Front National" konnte elf Rathäuser in Städten mit mehr als 9.000 Einwohnern gewinnen. Mit ihren demagogischen Forderungen nach massiven Steuersenkungen, Abschaffung des Euro und staatlichen Subventionen nur für Franzosen hat Marine Le Pen es offensichtlich geschafft, von den bürgerlichen Parteien enttäuschte Wähler abzuwerben.
Die verschiedenen Wahlergebnisse - auch die Wahl des parteilosen Millionärs Andrej Kiska zum Präsidenten der Slowakei - offenbaren vor allem das Problem des Fehlens einer echten revolutionären Alternative in diesen Ländern. Das führt dazu, dass die Menschen gar nicht mehr wissen, wen sie noch wählen sollen, sodass sie sich auch zweifelhaften Alternativen zuwenden. Das unterstreicht die Bedeutung des marxistisch-leninistischen Parteiaufbaus sowie der Überwindung der teilweise noch vorhandenen Zersplitterung der revolutionären Kräfte, woran gerade auch die ICOR-Organisationen in diesen Ländern arbeiten. Zu diesem Zweck muss auch die länderübergreifende Zusammenarbeit und Unterstützung verstärkt werden.