International
Trauer, Hoffnung, Wut - katastrophales Grubenunglück auf der Zeche Soma in der Türkei
14.05.14 - Auf der Braunkohlenzeche in der Stadt Soma nordöstlich Izmir hat sich am gestrigen Dienstag ein katastrophales Grubenunglück ereignet. Die zu beklagenden Opfer unter den Bergarbeitern sind bislang über 200 Tote und 80 zum Teil schwer Verletzte. Mehrere hundert der ursprünglich 787 eingefahrenen Bergarbeiter sind noch unter Tage eingeschlossen, teils in 400, teils in 2.000 Meter Tiefe und vier Kilometer vom Förderschacht entfernt. Das durch eine Trafo-Explosion ausgelöste Feuer in der Grube ist bisher nicht unter Kontrolle.
Über 400 Rettungskräfte bemühen sich mit aller Kraft um die Rettung der Eingeschlossenen. Hunderte Angehörige belagern das Zechentor. Trauer über die Opfer, Hoffnung, dass möglichst viele Bergleute noch gerettet werden, dass die Verletzten überleben, verbreitet sich in der Türkei und international. Aber auch Wut!
Die parlamentarische Oppositionspartei CHP hatte noch vor wenigen Wochen im Parlament von Ankara den Antrag gestellt, die bisherigen Zwischenfälle auf der Grube von Soma zu untersuchen. Das wurde von der Regierungspartei AKP des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan abgebügelt.
Die Betreiberfirma Komur Isletmeleri behaupt frech, das Unglück sei "trotz höchster Sicherheitsmaßnahmen und laufender Kontrollen" passiert. Sie wird gedeckt vom türkischen Minister für Arbeit und soziale Sicherheit, der behauptet, dass die Grube am 17. März "ohne Beanstandungen" auf ihre Sicherheit überprüft wurde.
Der Vorsitzende des türkische Gewerkschaftsbunds DISK, Kani Beko, nennt dagegen das Grubenunglück ein "Massaker" an den Bergarbeitern. Ganze Ketten von Subunternehmern seien in Soma am Werk, die nicht vernünftig kontrolliert würden: "Es geht nur um den Gewinn." Der Bergmann Oktay Berrin prangert gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an: "Es gibt in diesem Bergwerk keine Sicherheit ... die Geschäftsführung kümmert sich nur ums Geld."
Die in Deutschland für die Bergarbeiter zuständige Gewerkschaft IGBCE organisiert Soforthilfe für die Rettung der Eingeschlossenen und prangert die Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen und die Einschränkung von Gewerkschaftsrechten an. Die Bergarbeiterfrauen-AG des Frauenverbands Courage fordert in einer Erklärung von heute größte Anstrengungen zur weiteren Rettung der Bergarbeiter, umfassende Hilfe für die Verletzten und die geschädigten Familien, Untersuchung der Katastrophe und Bestrafung der Verantwortlichen.
Das Forum "Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz und Gesundheit" der 1. Internationalen Bergarbeiterkonferenz 2013 in Arequipa/Peru beschäftigte sich mit den Ursachen der nach wie vor zahlreichen Bergwerks-Katastrophen und den Schlussfolgerungen daraus:
"Es gilt den Widerspruch zu lösen zwischen Standards in der Sicherheit auf höchstem Niveau, wie sie heutzutage weltweit möglich wären, und den zum Teil erschütternden Arbeitsbedingungen mit Tausenden Toten und Verletzten pro Jahr ... Der Kampf für Arbeitssicherheit ist keine Frage nur für Spezialisten. Sie betrifft das ganze Leben der Bergarbeiter und ihrer Familien. ... Die hauptsächlichen Gegenspieler in diesem Kampf sind heute die internationalen Übermonopole. Deshalb können wir heute den Kampf nicht aus einem Betrieb oder einem Land heraus gewinnen, weswegen wir uns in Gewerkschaften, revolutionären Parteien und internationalen Organisationen zusammenschließen müssen." (Aus einer Zusammenfassung der Forumsergebnisse - mehr zur 1. internationalen Bergarbeiterkonferenz unter www.minersconference.org)
In der Zeitung "Türkei aktuell" der DIDF vom 14. Mai heißt es: "Türkische Medien berichten, dass seit gestern in Soma, aber auch in zahlreichen Industriestädten des Landes Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden, um etwaige Protestdemonstrationen zu verhindern. Trotzdem kam es in Kayseri, Mugla, Bursa und vielen anderen Städten zu spontanen Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen. Ein Streik der Studierenden an der Universität ODTÜ in Ankara, die mit einem Protestmarsch zum Energieministerium ziehen wollten, wurde von Polizei brutal aufgelöst. Die Gewerkschaftskonföderationen DISK und KESK sowie Berufsverbände von Ingenieuren und Ärzten haben für den morgigen Donnerstag zu einem landesweiten Streik- und Aktionstag aufgerufen. ... Auch in Deutschland haben verschiedene Organisationen ... für heute und die nächsten Tage zu Protest- und Solidaritätsaktionen aufgerufen."
Der türkische Ministerpräsident Erdogan will am 24. Mai nach Köln kommen. Eine Aktionseinheit von 20 Migrantenorganisationen hat sich zum Protest dagegen zusammengeschlossen, der auch von fortschrittlichen deutschen Kräften unterstützt wird. Dieser Protest bekommt durch die Katastrophe von Soma zusätzliches Gewicht.