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Referendum in Schottland: Große Unzufriedenheit mit Zentralregierung - Mehrheit gegen Lostrennung

Referendum in Schottland: Große Unzufriedenheit mit Zentralregierung - Mehrheit gegen Lostrennung
Das "Yes" der Befürworter hat keine Mehrheit gefunden. Schottland bleibt bei Großbritannien (foto: John Allan - CC BY-SA 2.0)

19.09.14 - An dem Referendum über die Loslösung Schottlands von Großbritannien beteiligten sich gestern 85 Prozent der 4,2 Millionen Wahlberechtigten. 45 Prozent sprachen sich für eine Lostrennung aus, 55 Prozent dagegen. Das dürfte in Brüssel und London sowie bei anderen europäischen Regierungen zu erleichtertem Aufatmen führen. Hatten sich die Spitzenpolitiker der EU doch einige Sorgen gemacht, dass nicht nur die Großmacht Großbritannien, sondern auch die gesamte Europäische Union dadurch geschwächt werden könnte. Zumal es Lostrennungs-Bestrebungen auch in anderen Ländern gibt - wie in Spanien (Katalonien und Baskenland) oder Belgien (Flandern).

Ein Hintergrund des Referendums ist der wachsende Widerspruch zwischen dem allein herrschenden internationalen Finanzkapital und mehr national orientierten Konzernen bzw. solchen Konzernen, die nicht zu den weltweit größten 500 Übermonopolen gehören. Der Ministerpräsident des schottischen Regionalparlaments und Chef der Scottish National Party (SNP), Alex Salmond, machte sich zum Fürsprecher der Konzerne und Unternehmen, die sich von einer Lostrennung Vorteile erhofften.

So wurde das Referendum von einer Gruppe in Schottland angesiedelter Unternehmen gefördert und gesponsert. Sie versprachen sich wie Salmond "fantastische Möglichkeiten für einen reicheren Staat". Tatsächlich liegen 90 Prozent der britischen Ölreserven auf schottischem Territorium. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt stünde Schottland auf Platz 14 der Rangliste der OECD-Industrieländer. Die SNP und ihre Förderer hofften darauf, nach einer Lostrennung an einen größeren Anteil der Staatseinnahmen (unter anderem aus der Ölförderung) über die staatliche Umverteilung in Form von Subventionen, Steuererleichterungen usw. zu gelangen.

Gleichzeitig sollten diejenigen Rahmenbedingungen einer gemeinsamen Wirtschaft, von denen sich die schottischen Unternehmen Vorteile erhofften, beibehalten werden - insbesondere die gemeinsame Währung Pfund Sterling. Die Nationalisten wollen eine eigene Armee, aber zugleich in der NATO bleiben. Die formale Lostrennung hätte also alles andere als wirkliche "Unabhängigkeit" bedeutet. 

Den Wählern versprach Salmond, mit dem Nordseeöl könne Schottland "Wohlstandsfonds" nach dem Vorbild Norwegens gründen, die dann angeblich den Massen zugute kämen. Er erhielt dafür auch zahlreiche prominente Unterstützung wie unter anderem vom Schauspieler Sean Connery. Seine relativ große Massenbasis ist vor allem dadurch zu erklären, dass sich der allgemeine Unmut mit der Regierung in London teilweise mit Hoffnungen in eine Verbesserung der Situation durch die Lostrennung verband. Nicht zuletzt auch mit dem schottischen Nationalstolz, der sich daraus nährt, dass Schottland lange Zeit ein eigenständiges Königreich war und eine bedeutende Tradition des Widerstands gegen die britischen Eroberer hat.

Die britische Zentralregierung und die führenden internationalen Monopole Großbritanniens machten ihrerseits Druck und schürten die Stimmung gegen eine staatliche Lostrennung. Eine Reihe von Unternehmen von der Supermarktkette Asda bis zum Ölkonzern BP kündigten Preiserhöhungen für Schottland aufgrund "längerer Transportwege" an. Die Royal Bank of Scotland und der in Schottland ansässige Versicherungskonzern Lloyds kündigten an, ihren Hauptsitz nach England zu verlegen. Sie haben Vermögenswerte in der Bilanz, die das Zwölffache der Wirtschaftsleistung Schottlands übersteigen.

Auffällig war vor allem die große Politisierung unter den Massen, gerade auch unter der Jugend. Das Referendum verband sich mit einer breiten Diskussion, wem eigentlich der gesellschaftliche Reichtum zugute kommt. Die Perspektive der Arbeiter und breiten Massen in Schottland liegt dabei nicht in der Alternative Lostrennung oder weitere Zugehörigkeit zum "Vereinigten Königreich". Sie liegt im gemeinsamen Kampf mit den Arbeitern in England, Wales, Nordirland und auf der ganzen Welt für die Befreiung von der Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals und für vereinigte sozialistische Staaten der Welt.