International
Die Hongkonger Lunte glimmt an der Südküste Chinas
03.10.14 - Zehntausende blockieren in Chinas Sonderverwaltungszone Hongkong seit acht Tagen Straßen und umzingeln die Regierungsgebäude. Die Proteste richten sich dagegen, dass die Pekinger Zentralregierung die Kandidaten der für 2017 geplanten ersten Direktwahl des Regierungschefs der Sonderverwaltungszone reglementieren will. Die Demonstranten - vor allem Jugendliche - fordern unter anderem freie Wahlen und Pressefreiheit. Beeindruckend ist ihre teilweise disziplinierte Durchführung der Aktionen. Ständig gehen Jugendliche durch die Reihen, sammeln Müll und sorgen für Ordnung.
Die massiven Proteste reihen sich ein in den länderübergreifenden Kampf für Freiheit und Demokratie, der seit Beginn des Jahrzehnts immer mehr Länder erfasst hat. Der berechtigte Protest für mehr demokratische Rechte verbindet sich auch mit sozialen Fragen wie etwa dem Kampf gegen menschenverachtende Arbeits- und Lebensbedingungen in einer der wichtigsten Finanzmetropolen der Welt. Berüchtigt sind die Wohnverhältnisse für etwa 100.000 "Käfigmenschen", die in Räumen mit mehreren zwei Kubikmeter großen, abschließbaren Holzkäfigen leben müssen. Auch Arbeiter und Menschen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen, Lehrer, Uni-Beschäftigte, Bankangestellte usw. schließen sich immer wieder den aktuellen Protesten an.
Die führenden Organisatoren der Massenproteste - Studenten, Professoren und teilweise auch reiche Geschäftsleute - orientieren diese auf das Ziel einer bürgerlichen Demokratie nach westlichem Vorbild. In den westlichen Medien wird berichtet, die Teilnehmer seien sich einig, dass sie auf keinen Fall mehr den "Sozialismus" wollen. Tatsächlich haben die neuen bürokratisch-kapitalistischen Herrscher Chinas den Sozialismus verraten, der zu Lebzeiten Mao Zedongs dort aufgebaut worden war und viele Menschen auf der ganzen Welt begeisterte. Wie stark die antikommunistische Strömung bei den aktuellen Protesten ist, muss noch genauer analysiert werden. Von anderen Demonstrationen und Streiks in China ist allerdings bekannt, dass dort immer wieder Porträts von Mao Zedong zu sehen sind und die sozialistische Zeit Chinas als Vorbild hochgehalten wird.
Der Pekinger Führung geht allerdings schon die Forderung nach mehr bürgerlich-demokratischen Rechten und Freiheiten zu weit. Sie fürchtet nichts mehr, als dass sich die Volksmassen gegen Ausbeutung und Unterdrückung auflehnen und sich an die früheren sozialistischen Verhältnisse erinnern. Die demokratischen Proteste in dieser drittgrößten Metropol-Region Chinas könnten im ganzen Land ansteckend wirken und sich dem Aufstieg zur neuen kapitalistischen Supermacht in den Weg stellen.
Die Einverleibung dieser früheren Kolonie Englands im Jahre 1997 "erhöhte schlagartig Chinas weltwirtschaftliches Gewicht und ließ es in kürzester Zeit zur viertgrößten Export-Nation der Welt aufsteigen" (Stefan Engel, "Götterdämmerung über der 'neuen Weltordnung'", S. 202). Sie bedeutete einen qualitativen Sprung in der Entwicklung des chinesischen Sozialimperialismus und war machtpolitisch ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines vereinigten Großchina. Die Pekinger Regierung gibt sich deshalb bisher unnachgiebig.
Es ist bezeichnend, dass die Chefs der großen in Hongkong angesiedelten Konzerne und Banken ebenfalls fordern, die Proteste zu unterbinden, und mit den Herrschenden in Peking eng zusammen arbeiten, um sichere Ausbeutungsverhältnisse zu wahren. Gestern musste allerdings die Marionette Pekings in Hongkong, Verwaltungschef Leung Chun Ving, den Demonstranten zurufen: "Ich will mit Ihnen allen zusammenarbeiten."
Die Führer der Protestbewegung haben jetzt das Gesprächsangebot des Hongkonger Regierungschefs angenommen. Ihre Erwartung eines "offenen Dialogs" steht allerdings in krassem Widerspruch zu Drohungen der Pekinger Regierung. Diese lehnt "Kompromisse in Grundsatzfragen" ausdrücklich ab und kündigt bei Besetzung von Regierungsgebäuden den Einsatz des staatlichen Gewaltapparates ein. Die Massen müssen solche Drohungen äußerst ernst nehmen. Peking wird erweiterte Rechte für die Massen nicht freiwillig zugestehen.
Die Internationale Koordinierung und Kooperation revolutionärer Parteien und Organisationen (ICOR) hat auf ihrer 2. Weltkonferenz im Frühjahr 2014 erklärt: "Es ist die Aufgabe der Kommunisten, in all diesen Bewegungen für Demokratie bei den Menschen zu sein. In den meisten dieser Bewegungen ist die Rolle der Linken sehr schwach. Wir müssen versuchen, diese Bewegungen von bürgerlichen und sektiererischen Alternativen weg zu führen, hin zu echter Volksdemokratie und Sozialismus. ... Die ICOR muss eine besonders aktive Rolle in solchen Bewegungen spielen und ihnen materielle und moralische Unterstützung zukommen lassen."